Wenn ich mich nicht sehr täusche, und ich täusche mich ja bekanntlich nie: Dann geht an diesem Nachmittag im Schlosspark zu Versailles das bis dato beste olympische Dressurturnier der behinderten Reiterinnen und Reiter zu Ende. Die Bundestrainerin sagte soeben: „Unser Fazit ist natürlich überragend. Ich bin super, super glücklich und denke, dass wir Deutschen hier ein kleines Zeichen gesetzt haben. Wir werden weiter daran arbeiten. Einfacher wird es sicherlich nicht werden, wenn man sich die anderen Nationen so anschaut. Aber ich schaue sehr positiv in die Zukunft.“
Als die internationale Reiterwelt anno 2010 zu den Welt-Reiterspielen nach Lexington in Kentucky kam, da waren auch die Behinderten mit von der Partie: Die Briten, so erinnere ich mich, dominierten fast nach Belieben. Später stellte sich heraus, dass man dort ganz gezielt in vielen Altenheimen auf der Insel nach geeigneten Reiterinnen und Reitern gesucht hatte: Manch eine und manch einer von ihnen hatte zuvor noch nie auf einem Pferd gesessen. Diese Zeiten sind gottlob vorbei. In diesen Tagen der glanzvollen olympischen und paralympischen Spiele waren das reiterliche Niveau und das Niveau der Pferde phasenweise sogar spektakulär.
Kurz der Reihe nach, ohne allzu sehr auf die komplizierten Details und Regeln zu achten. Wenn gleich am ersten Tag, dem vergangenen Mittwoch, Regine Mispelkamp mit Highlander und Anna-Lena Niehues mit Quimbaya Silber und Bronze holten, dann wurde jedem klar, was sich das deutsche Team für diese Woche vor den toll gefüllten Tribünen von Versailles vorgenommen hatten. Isabell Nowak mit Siracusa und Heidemarie Dresing mit Doolop mussten mit zwei vierten Plätzen vorlieb nehmen – sie ließen sich dadurch aber nicht frustrieren. Ihr Pferd sei eben auch nur ein Mensch sagte Heidemarie Dresing – mit ihren 69 Jahren die Älteste Teilnehmerin dieses olympischen Turniers.
Womöglich wird man in der Rückschau diesen gestrigen Freitag mit der Team-Entscheidung als den eigentlichen Höhepunkt betrachten: Verdientes Gold für die US-Damen, verdientes Silber für die Damen aus den Niederlanden und ebenso verdiente Bronze für Anna-Lena Niehues, Regine Mispelkamp und Heidemarie Dresing. Die Bundestrainerin Silke Fütter-Sommer, das ist mir an ihren Statements übrigens aufgefallen, spricht, wenn sie die Ritte ihrer Aktiven beurteilt, nie auch nur eine Silbe über deren Behinderung, deren persönliche Geschichte. Es geht ganz professionell schlicht und einfach um die Leistung. Und es fällt auf, dass man von den Behinderten im Sattel unter gar keinen Umständen irgend eine Ausflucht hörte etwa dergestalt, die körperliche Einschränkung, mit der man seinen Sport im Sattel betreibt, sei verantwortlich für diesen oder jenen Fehler.
Gut und richtig. Wer bei Olympischen Spielen für sein Land antritt, der muss liefern! Auch wenn das im ersten Moment hart klingt. Nein, Hätschelkinder wollen die Paradressurstars nicht sein. Das wäre das Ende für so manchen. Keine und keiner wollen etwas geschenkt bekommen. Schon gar nicht, wenn’s hart auf hart geht wie heute am Schlusstag: Regine Mispelkamp auf ihrem eleganten und leichtfüßigen Highlander holte sich ihr zweites Silber, ebenso Anna-Lena Niehues auf Quimbaya. Und Heidemarie Dresing glückte Einzelbronze nach Teambronze. Chapeau! Sie sagte: „Ich habe gar nicht mehr an eine Medaille gedacht. Ich wollte einfach eine schöne Prüfung reiten. Und dann kamen hinterher alle an und sagten, Du hast Bronze!“
Kurz und knapp aus meiner Sicht: Für Gold hat es in diesem olympischen Jahr noch nicht gereicht aus deutscher Sicht. Das ist kein Beinbruch, denn erstens zeigt das Abschneiden, dass man auf dem richtigen Weg ist. Und alles in allem ist Versailles 2024 der Funke, nicht nachzulassen und mit Optimismus nach vorne zu blicken. Nochmal herzlichen Glückwunsch!