Der Rechnungshof des Landes Baden-Württemberg hat das traditionsreiche Haupt- und Landgestüt in Marbach auf der Schwäbischen Alb aufs Korn genommen. In seiner jetzt veröffentlichten Denkschrift 2022 fordert er, die Wirtschaftlichkeit zu verbessern, den Pferdebestand zu verringern und die Ausbaupläne zu reduzieren. Die Stellungnahme von Landwirtschaftsminister Peter Hauk steht noch aus. Gestütschefin Astrid von Velsen-Zerweck wird sich wohl öffentlich nicht äußern. 

Die Denkschrift zum Stichwort Haupt- und Landgestüt veröffentliche ich hier im Wortlaut: „Das Land wendet zur Deckung des Fehlbedarfs des Haupt- und Landgestüts Marbach jährlich fast sechs Millionen Euro auf. Der jährliche Zuschussbedarf droht stark anzusteigen. Die Wirtschaftlichkeit muss durch weitere Maßnahmen verbessert werden.

Der Rechnungshof stellte bei seiner Prüfung des Landesbetriebs Haupt- und Landgestüt Marbach fest, dass betriebswirtschaftliche Steuerungselemente fehlten. Vorgesehene Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit wurden nicht konsequent umgesetzt. Insbesondere wurde der eigene Tierbestand nicht wie geplant reduziert. Obwohl für die Sport- und Reitpferdezucht ein ausreichendes privates Angebot an Zuchthengsten bereitsteht und die Bedeckungen stark rückläufig waren, wurden weder der eigene Hengstbestand noch unrentable Servicestationen entsprechend reduziert.

Trotz eines bestehenden Sanierungsbedarfs im derzeitigen Bestand des Gestüts von 40 Millionen Euro sind weitere erhebliche Investitionen von 45 Millionen Euro, insbesondere in Anlagen für internationale Sport- und Turnieraktivitäten, geplant. Diese hält der Rechnungshof für überdimensioniert.

Der Rechnungshof empfiehlt, für Steuerungszwecke eine aussagekräftige Kosten- und Leistungsrechnung zu etablieren und den eigenen Tierbestand des Gestüts deutlich zu reduzieren. Unrentable Servicestationen sollten zeitnah geschlossen werden. Zudem sollten die Baumaßnahmen für die Ausweitung internationaler Sport- und Turnieraktivitäten hinsichtlich ihrer Dimensionierung überprüft werden.“

Es überrascht mich nicht, dass der Rechnungshof im Ländle wieder einmal das 1514 erstmals urkundlich erwähnte, landeseigene  Gestüt im Lautertal unter die kritische Lupe nimmt. Angesichts der politische Weltlage liegt es nahe, dass der Staat auf allen Ebenen seine Finanzlage strikt unter Kontrolle halten muss. Gleichwohl ist es aus meiner Sicht bedauerlich, dass die Finanzexperten des Rechnungshofes so wenig bis gar keinen hippologischen Sachverstand besitzen.

Punkt eins: Die historische Rolle des Haupt- und Landgestüts (nicht nur in Marbach) wird dramatisch unterschätzt. Hätten frühere Generationen die staatlichen Gestüte kaputtgespart, gäb’s heute gar keine private Pferdezucht bzw. Hengsthaltung mehr. Das Pferd wäre im Zoo zu besichtigen.

Punkt zwei: Was heute Servicestationen heißt, hieß früher Deckstation. Wenn ich mich recht erinnere gab’s davon früher mal etwa drei Dutzend. Ich erinnere mich noch gut, wie der einstige Landwirtshaftsminister Weiser, ein Nordbadener, mit dem Hubschrauber zu „seiner“ Deckstation einflog, denn die lag in seinem Wahlkreis, um deren drohende Schließung vor Ort zu verhindern, was ihm auch gelang. Heute gibt’s noch eine handvoll dieser Stationen. Wer sie vollends schließt, schadet dem Gestüt und seiner Wirtschaftlichkeit.

Punkt drei: Auch wenn’s die privaten Hengsthalter nicht gerne hören: Ohne die staatlichen Gestüte wäre die deutsche Pferdezucht längst in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Dabei ist doch klipp und klar: Private Hengsthaltung besitzt keine historische Dimension. Sie ist einzig und allein auf Profit ausgerichtet. Viele Beispiele zeigen, dass es zwar gelingt, zwei bis drei Generationen Hengsthaltung und/oder Pferdezucht in privater Hand zu leisten – mehr aber nur in ganz wenigen Fällen.

Punkt vier: Gerade in Baden-Württemberg haben Michael Jung und sein Sam einen guten Ruf – weit über die Reiterei hinaus. Die Herrschaften vom Rechnungshof wissen gar nicht, dass es diesen Olympiasieger Sam ohne das Haupt- und Landgestüt niemals gegeben hätte. Sein Vater war der Gestütshengst Stan the man.

Punkt fünf: Das Marbacher Gestüt besitzt alles in allem fast 1000 Hektar Land. Neben der Zentrale in Marbach gehören mehr als eine Handvoll Gestütshöfe dazu. Sie liegen bis zu 15 Kilometer voneinander entfernt. Sie zu betreiben, kostet Geld, zumal da mehr als hundert alte bis uralte Gebäude unter Denkmalschutz stehen. Einige Gestütshöfe still zulegen, wäre wohl möglich – die stille Hoffnung mancher Rechnungsprüfer, man könnte sie vielleicht an Privat verkaufen, ist naiv und illusorisch. Vor der Forderung, die historische Araberherde abzuschaffen, schrecken sogar die Rechnungsprüfer zurück.

Punkt sechs: Die Buschreiter im Ländle und darüber hinaus träumen – wie ich wiederholt berichtet habe – von einer Europameisterschaft der Buschreiter 2027 oder 2029. Darauf sind die Ausbaupläne am Standort Marbach ausgerichtet. Auch wenn’s schwerfällt: Von diesem Traum müssen die Marbach-Fans wohl oder übel Abschied nehmen. Die politischen Zeiten sind nicht (mehr) danach!

Punkt sieben: Ich hoffe sehr, dass der zuständige Minister Peter Hauk sowie Ministerpräsident Winfried Kretschmann weiterhin zu Marbach stehen. Als Totengräber des Gestüts werden sie ja wohl nicht in die Geschichte eingehen wollen. Hoffentlich nicht! Für mich ist Marbach mit seiner Geschichte und seiner Strahlkraft ein Kulturgut. Auch wenn das manch einem zu pathetisch klingen mag. Geschichtslosigkeit und Geschichtsvergessene haben wir viel zu viele im Land.