Liebe Leute, jetzt heißt es, die Ruhe zu bewahren und einen kühlen Kopf! Richard Vogel und sein United Touch haben die schwere zweite Runde im 43. Weltcupfinale gewonnen. In der Nacht zum Sonntag, 1.15 Uhr unserer Zeit, hat der 26-Jährige die Chance, von seinem vierten Rang aus dieses Finale im mehr als 18 000 Zuschauer fassenden Health Center von Omaha/Nebraska zu gewinnen. Das wäre die (vorläufige) Krönung auf eine steile Karriere im Springsattel, wie wir sie bei uns in Deutschland lange nicht mehr gesehen haben – mir scheint seit Gerd Wiltfang nicht.

„Ich denke, jeder kann sehen, wie großartig dieses Pferd ist. Der Parcours war heute wirklich schwer. Mit seinem riesigen Galoppsprung liegt United Touch so eine eher kleine Halle eigentlich nicht. Er musste sich wirklich unheimlich bemühen.“ Das war Richards erster Kommentar zu später Abendstunde Ortszeit Omaha. Deshalb haben uns bis jetzt, gegen zwölf am Karfreitag, nur wenige Stimmen erreicht.

Macht aber nichts – wir blicken mal kurz und knapp auf die reiterliche Laufbahn von Richard Vogel, der am 24. März 1997 in der Nähe von Ulm im württembergischen Oberland das Licht der Welt erblickt hat. Er stammt aus einer Reiterfamilie, sein Onkel war Pferdezüchter auf einem Gestüt bei Pfungstadt. Der  Zufall hat ihm geholfen: „Ich wollte immer schon reiten, weil ich das sichere Gefühl hatte, dass das für mich das Richtige ist. Deshalb hab‘ ich mit 17 Jahren die Schule abgebrochen, was vielleicht nicht das Klügste war.“

Also stieg er in eine Bereiterlehre ein bei den Gebrüdern Herbert im südhessischen Viernheim. Als die absolviert war, half ihm der Onkel: „Er kannte Philipp Weishaupt und fragte bei ihm an, ob ich mich in Riesenbeck vorstellen dürfte. Ich durfte und hab‘ gleich bei Ludger Beerbaum angefangen, zuständig für die jungen Pferde im Beritt von Philipp.“

Von 2016 bis 2019 arbeitet Richard Vogel mit Erfolg bei den Beerbaum Stables, gewinnt 2018 das U-25-Finale in der Aachener Soers. Nach der Zeit in Riesenbeck macht er sich selbständig, gemeinsam mit seinem Freund und Kollegen David Will im hessischen Dagobertshausen. Schon seit seiner Zeit in Viernheim startet Richard Vogel für den traditionsreichen Reiterverein Mannheim. Seit dem Frühjahr 2021 ist seine Freundin und Kollegin Sophie Hinners an seiner Seite – die beiden haben vor allem in der Saison 2022 schwer von sich reden gemacht.

Das 36. German Masters in der Schleyerhalle stand im Zeichen von Richard und seiner Sophie: Er gewann im Sattel des elfjährigen Hengstes United Touch aus dem Besitz von Julius-Peter Sinnack den Großen Preis, das Weltcupspringen, Sophie wiederum belegte mit der Marbacher Stute Graphik aus dem Besitz des Haupt- und Landgestüts den zweiten Rang im Finale um den German Master. Bereits da stand fest, dass diese Stute verkauft werden würde – nach Belgien zu einem Züchter, wie es hieß. Doch vergangenen Sonntag, da Richard Vogel auf dem erst neunjährigen Württemberger Cepano Baloubet in Wellington/Florida den Großen Preis gewann, rückte Sophies Stute Graphik plötzlich wieder ins Blickfeld.

Der Grund: Richards Siegerpferd gehört der US-Amazone Veronica Tracy. In ihrem Besitz befindet sich seit einiger Zeit auch die Marbacher Stute Graphik. Gleichwohl, im harten und schnelllebigen Geschäft der Springreiter auf dem internationalen Parcours gibt’s auch dies: Vor wenigen Wochen haben Schweizer Besitzer ihre vier bei Richard Vogel stehenden Nachwuchspferde abgezogen und sie zu ihrem Landsmann Steve Guerdat gegeben. Man habe sich in aller Freundschaft getrennt, hieß es offiziell. Kein Grund für mich, etwas anderes anzunehmen.

Als gelernter Bereiter, Prüfungsjahrgang 1969, weiß ich allerdings sehr wohl, dass Besitzer die Arbeit ihrer Ausbilder besonders dann schätzen, wenn diese ihre Pferde in den Sport bringen – nicht die Pferde anderer Besitzer. Dieses Spannungsfeld lässt sich auf die Dauer nicht lösen. Denn fast alle Besotzer hoffen, dass sie eines Tages ihre Pferde auf dem internationalen Markt anbieten und verkaufen können.  Bleibt zu hoffen, dass die Zusammenarbeit zwischen Veronica Tracy und Richard Vogel noch lange anhält. Ganz gleich, wie das Weltcupfinale in der Nacht zum Ostersonntag auch ausgeht – für mich ist Richard Vogel ein Anwärter auf unsere Equipe im Aachener Preis der Nationen und für die WM in Mailand Anfang September. Ob Otto Becker das genauso sieht?