Wer mich kennt, der weiß: Ich berichte besonders gerne von Heldentaten und Höhenflügen. Aber der Spitzensport ist nun mal kein Wunschkonzert. Deshalb hab‘ ich eine Nacht über den Nackenschlag für Otto Becker und sein Quartett beim Nationenpreis von Rotterdam geschlafen. Der Grund: Zum ersten Male seit Menschengedenken hat eine deutsche Equipe die Finalrunde der besten acht Teams verfehlt: Um eine einzige Sekunde! Kein Scherz! Schuld daran ist ein eigentlich erfahrener Parcourschef: Louis Konickx. Er bekam 25 Nullrunden, davon neun Doppel-Nuller! Bei 40 Starts. 

Otto Becker sagte dem Pressedienst der FN: „Für uns alle ist es sehr enttäuschend, dass wir die zweite Runde nicht erreicht haben. So ein Ergebnis habe ich noch nicht erlebt. Dass man mit nur vier Fehlern im Nationenpreis nicht weiterkommt. Die Bedingungen waren für alle gleich. Wir hätten drei fehlerfreie Ritte gebraucht. Oder wir hätten schneller sein müssen. Nur eine Sekunde hat uns gefehlt. So gesehen, ist es unsere eigene Schuld.“

Der Teufel steckt an dieser Stelle mal wieder im Detail: Die Iren gingen als Team Nummer acht mit exakt mit 4/210,50 Sekunden durchs Ziel der ersten Runde. Unser Team mit genau 4/211,67 Sekunden: Nur Cecker unter Christian Kukuk und United Touch unter Richard Vogel blieben fehlerfrei. Marcus Ehning lieferte mit zwei Abwürfen das Streichresultat. Philipp Weishaupt hatte einen Abwurf. Für die Iren gab’s noch 17 000 Euro Trostprämie, für unser Quartett noch 15 000 Euro. Rang zehn übrigens für die US-Profis mit 4/212,01 Sekunden. Prämie 14 000 Euro.

Jetzt der Blick nach vorn: Die Franzosen, in wenigen Wochen Gastgeber der Olympischen Spiele, schafften dreimal Doppel-Null. Simon Delestre, Kevin Staut, Julien Epaillard und Olivier Perreau, geführt vom Niederländer Henk Nooren, nahmen sie die 230 000 Euro Siegprämie gerne mit nach Hause. Ergebnis: 0/214,02 Sekunden. Rang zwei für die Schweden mit Henrik von Eckermann, der sogar sein Toppferd King Edward sattelte, sodann Malin Baryard-Johnsson, Peder Fredricson und Rolf-Göran Bengtsson. Doppel-Null durch Henrik und Rolf-Göran. Ergebnis 4/211,19 Sekunden. Prämie 150 000 Euro.

Platz drei für die Briten mit Ben Maher, Joseph Stockdale, Harry Charles und Tim Gredley. Ergebnis 4/215,26 Sekunden, Prämie 110 000 Euro. Danach folgen die Belgier, die Brasilianer, die Niederländer, die Schweizer, die Iren, die Deutschen und die Amerikaner. Alles in allem eine Dotierung von 700 000 Euro.

Der aktuelle Blick auf die Gesamtwertung vor dem Finale Anfang Oktober in Barcelona: Irland mit 235 Punkten vor Schweden (210), Deutschland und Schweiz (je 200), Brasilien und Frankreich (je 185), USA und Niederlande (je 170), sodann die Briten (165) und die Belgier (155). Nur die besten acht Equipen sind für das Finale qualifiziert.

Den Groll von Otto Becker kann ich gut verstehen. Wahr ist aber auch: Durch die wetterbedingte Absage von St. Gallen und den verkorksten Parcours von Rotterdam bleibt nach der ersten Saison „Longines League of Nations“ ein fader Nachgeschmack. Die drastische Verkürzung des früheren Nationscups hat nichts gebracht. Halt nein: Eine ganze Reihe der ehemaligen Veranstalter sind nach wie vor sauer – einige haben sich von Longines abgewandt und dem Titelsponsor Rolex angeschlossen.

Hoffen wir also auf ein starkes Finale in Barcelona und etwas mehr Fortüne in der Saison 2025.