Liebe Leserinnen und Leser: Man traut seinen Augen und Ohren nicht! Nur zwei Jahre nach dem Herpes-Desaster von Valencia und anderswo kommen aus Spanien die gleichen schlechten Nachrichten wie damals: Neue Herpes-Fälle bei den Turnierwochen in Oliva Nova, dazu ein Fall im belgischen Lier. Valencia bricht seine Turnierwochen 2023 sofort ab. Da kann man ja nur mit dem Kopf schütteln!
Die schauerlichen Bilder schwer leidender Pferde, die durch Aufhängungen gestützt werden mussten, weil sie nicht mehr auf ihren eigenen vier Beinen stehen konnten – sie sind uns noch immer tief im Gedächtnis. Und wir erinnern uns an den leidgeprüften Sven Schlüsselburg, den Springreiter aus Ilsfeld bei Heilbronn, der damals, 2021, binnen weniger Wochen ein Dutzend Pferde verlor, darunter Sportpferde, aber auch Zuchtstuten. Als eine der Konsequenzen wurde von der FN die Impfpflicht vom 1. Januar 2023 an eingeführt.
Und nun erleben wir in diesen Tagen, an denen die Frühjahrsturniere im europäischen Süden beginnen, erneut ein Aufkeimen des Herpesvirus. Jedes Pferd, so sagen es uns die Tierärzte, trage das Virus in sich – zum Ausbruch komme es allerdings nur unter bestimmten äußeren Bedingungen. Nur ein einziges infiziertes Pferd könne die Epidemie auslösen. In Oliva Nova waren, so ist zu hören, während der zweiten Turnierwoche annähernd eintausend Pferde aufgestallt.
Meine aktuelle Frage: Wenn derlei internationale Pferdemärkte – und um nichts anderes handelt es sich – praktisch ein Hochrisikobereich sind, der jeder Zeit außer Kontrolle geraten kann, muss dann nicht die gesamte Branche sofort umdenken? Sind die Verantwortlichen und die Beteiligten aus den schlimmen Erfahrungen der Saison 2021 nicht klug geworden? Drückt man sich, womöglich aus finanziellen Gründen, darum, die unausweichliche Impfpflicht in der Praxis international einzuführen und einzuhalten? Das wäre verhängnisvoll.
Was mich erstaunt und ratlos macht, ist dies: Spanien scheint so etwas zu sein wie ein Hotspot in Sachen Herpes. Wie kann das sein? Was es mit dem Einzelfall in Lier auf sich hat, werden wir hoffentlich bald erfahren. Aus Oliva Nova heißt es in verschiedenen Berichten, die im Internet kursieren, man habe alles getan, um die zunächst zehn betroffenen Pferde sofort zu isolieren. Sodann gibt’s dort Kriterien, die erfüllt sein müssen, ehe die Pferde das Turniergelände verlassen dürfen – der Heimweg ist strikte Pflicht. Turnierstarts vorerst ausgeschlossen.
Weitere Fragen werden sich wohl erst in den kommenden Wochen beantworten lassen: Wie steht’s mit der Impfpflicht hierzulande? Gibt’s inzwischen genügend Impfstoff, was vor zwei Jahren leider nicht der Fall war? Und wer kontrolliert – nicht nur auf Stichproben. Apropos. Kürzlich lese ich in anderem Zusammenhang, dass es Pferdebesitzer gibt, denen die Kosten für die vorgeschriebenen und/oder sinnvollen Impfungen ihre Pferde zu hoch sind. Was soll man dazu sagen? Wer an Turnieren teilnehmen möchte, sei es hierzulande oder etwa in Spanien, der muss sich an die Spielregeln halten. Wer’s nicht tut, ob aus Unwissenheit oder aus Ignoranz, der gefährdet seine Pferde und die Pferde anderer.
Herpes, Tetanus und Influenza gelten als Impfpflicht. Wer’s nicht beachtet, muss unter Umständen mit Bußgeld rechnen. Dabei diskutiert die Szene ganz aktuell seit Wochen über die neu eingeführte Bezahlung für die Arbeit unserer Tierärzte. Die wirklich schlechten Nachrichten aus Spanien holen uns knallhart auf den Boden der Tatsachen zurück: Die Bereitschaft der Tierärzte, rund um die Uhr bereit zu stehen, um unseren Pferden zu helfen, wenn’s not tut – sie hat ihren Preis. Wobei ich übrigens der Ansicht bin, dass die Tierärzte am besten bei den Turnieren Anwesend sein sollten, um helfen zu können. Das alles kostet Geld, zugegeben.
Aber bitte, liebe Pferdefreunde: Unser Sport besitzt in der Öffentlichkeit, beim Publikum und bei den Medien, nicht mehr den allerbesten Ruf. Das hat verschiedene Gründe. Was wir uns unter keinen Umständen mehr leisten können, sind etwa schwere Unfälle, bei denen sich hernach herausstellt, dass man an der Vorsorge und der Bereitschaft der Ärzte gespart hat. Die neuerlich so schlechten Nachrichten aus Spanien, wo aus meiner Sicht irgendetwas nicht stimmt, belasten das Image der Reiterei erneut. Provokante Frage: Ordnen wir dem Pferdehandel, der Gier nach dem großen Geld, wirklich alles andere unter? Sind die Reiter einfach nicht bereit und imstande, aus ihren eigenen Fehlern zu lernen?