Zu diesen grau-verregneten Weihnachtstagen 2022 beglücken uns Ludger Beerbaum und das in Hamburg erscheinende Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ mit vier Seiten Interview und allerlei Fakten. Überschrift: „Meine Stute ist nicht unglücklicher als ein Freizeitpferd“ sowie „Dick im Geschäft“. Für die interessierten Leser*innen ist’s recht interessant – für unsereinen, der sich ein bissle besser auskennt, hält sich der Nachrichtenwert allerdings in Grenzen.

Was ich mich seit Wochen frage: Nachdem die Staatsanwaltschaft Münster das Ermittlungsverfahren gegen Ludger Beerbaum eingestellt hat – der Nachweis, dass den Pferden auf den von RTL im Januar 2022 gezeigten unscharfen Videos unnötigerweise Schmerzen zugefügt seien, konnte nicht erbracht werden – herrscht in dieser Sache bei der FN-Zentrale in Warendorf beharrliche Stille. Die Disziplinarkommission der FN, bei der der „Fall Beerbaum“ liegt, lässt sich (zuviel) Zeit.

Im Spiegel-Gespräch sieht Ludger die Gründe dafür so: „Offenbar hat auch die Kommission den Eindruck gewonnen, dass sie den Schwarzen Peter zugeschoben bekommen hat.“ Vielleicht, so vermutet er, gebe es ein Problem damit, dass ihm „eine Einstellung des Verfahrens nicht reicht. Ich will einen Freispruch haben“. Beerbaum mutmaßt, man suche nach Gutachtern, die anhand der RTL-Videosequenzen nachweisen können, dass er den gezeigten Pferden „erhebliche Schmerzen“ zugefügt habe. Das aber werde nicht funktionieren.

Was ich außerdem interessant finde: Ludger Beerbaum hat seine zunächst geäußerte Absicht, RTL anzuzeigen, unter anderem wegen Hausfriedensbruchs und Verleumdung, aufgegeben. Seine Anwälte hätten ihm von diesem Schritt abgeraten. Zitat: „In dem Bericht geht es mehr um Unterstellungen und Gier nach Sensation als um handfeste Vorwürfe. Da ist es schwer, juristisch dagegen anzukommen.“ Mancher mag den Eindruck gewinnen, Beerbaum gäbe an dieser Stelle klein bei.

Trotz alledem sagt Ludger auch, er finde das von der FN ausgesprochene Verbot des Touchierens in Ordnung. In der heutigen Zeit sei es schwer zu vermitteln. Allerdings hätte er sich gewünscht, „dass wir die Deutungshoheit über unseren Sport und seine Regeln behalten“. Die FEI wiederum mache es sich zu leicht, habe gar nicht nachgefragt, wie es etwa zu den von RTL gesendeten Frequenzen gekommen sei.

Schließlich, so finde ich, ist Ludger Beerbaum mit einigen Sätzen in seinem „Spiegel“-Gespräch auf dem  richtigen Weg: „Erst einmal müssen wir verständlich machen, wie tierfreundlich unser Sport bereits ist. Wir müssen die Türen und Tore öffnen und alles besser erklären. Alle Interessierten sollten Zugang zu den Ställen, zum Training, zu den Turnieren bekommen können.“ Dass die „Spiegel“-Redakteure gleich mit ihrer nächsten Frage ihre eigene Grundhaltung offenbaren, spricht für meine Begriffe für sich: „Tierfreundlich, ist das ihr Ernst? Wie wäre es mit Abrüsten bei den Turnieren – zum Beispiel niedrigere Hindernisse oder ein Verbot von Sporen?“ Der Begriff des „Abrüstens“ stammt aus der Kriegsrethorik.

In seiner Antwort gerät Ludger, wie ich finde, leider auf ein Nebengleis: Zunächst einmal wäre anzumerken, dass sich die Parcours im weltweiten Springsport längst deutlich vereinfacht haben gegenüber früher: Nicht mehr das reine Springvermögen wird abgefragt über klobige „Klamotten“, sondern das fehlerfreie Reiten mit möglichst perfekt gymnastizierten Pferden über niedrigere Sprünge. Das stilistische Reiten wird honoriert. Auf diese Weise können Spitzenpferde bei klugem und vernünftigem Einsatz länger als früher Erfolge haben auf Topniveau.

Alles in allem. Den Zeitpunkt dieses „Spiegel“-Gesprächs verstehe ich nicht so recht. Auch fehlt mir darin die konkrete Frage an die Disziplinarkommission der FN, wann man denn nun die Absicht habe, sich zu den Vorwürfen gegen Ludger Beerbaum zu äußern bzw. darüber zu urteilen. Sollte alles zu einer Hängepartie werden, wäre niemandem gedient. Dass es sinnvoll ist, wenn sich Spitzenreiter in Interviews äußern wie etwa dieser Tage auch Jessica von Bredow-Werndl  ausführlich in der Süddeutschen Zeitung, darüber gibt’s gewiss keine zwei Meinungen. Die Sportreiterei muss deutlich mehr tun, um zu informieren, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Das Leitmotiv muss lauten: „Raus aus der Defensive!“