Wer meine Blogs kennt und (hoffentlich) schätzt, der weiß, dass ich ein besonderes Faible hege für die Historie unseres Sports mit den Pferden. Heute möchte ich mich aus aktuellem Anlass mit der Geschichte des schweizerischen CHIO-Turniers beschäftigen. In diesen Tagen trifft sich die Weltelite wieder einmal im Gründenmoos, jener Arena, die einer großen Schale gleicht, in der sich mitunter das Wasser sammelt – dann sind Probleme unausweichlich. Die fein dokumentierten Anfänge dieses Traditionsturniers reichen zurück bis in das Jahr 1909.

In seinem Standartwerk „Die Geschichte des Pferdesports“ schreibt der internationale hochgeschätzte Max Ammann, Urgestein der Schweizer Journalisten, lange Jahr einmal Erfinder und Direktor des Weltcups, folgendes: „1909 beschloss der Rennclub Luzern, seit zehn Jahren Organisator großer Pferderennen, die Ausrichtung eines „Concours Hippique“. 1924 lud Luzern, nach einigen nationalen Jahren, wiederum ausländische Gäste ein, die bis zum 25. Jubiläums-Concours von 1939 die Hausermatte am Ufer des Vierwaldstädter Sees zu einem Spitzenturnier der Pferdesportwelt machten.“

Und an anderer Stelle heißt es im Kapitel über 1909: „Prinz Capece Zurlo, ein Italiener, und sein vorzüglicher St. Hubert II errangen den Sieg im Großen Preis von Luzern im Rahmen des vom  Rennclub Luzern veranstalteten ersten internationalen Concours Hippique. Für die Schweizer Offiziere gab es, bei ihrem ersten Kontakt mit dem internationalen Springsport, im Eröffnungsspringen die Plätze zwei bis vier.“ Einer von ihnen war Henri Poudret. Sein Nachfahre Alain Poudret leitet seit vielen Jahren das Turnier in den Messehallen von Genf.

Am Freitag blicken die Fans der internationalen Springreiterei gebannt ins Gründenmoos, wo der diesjährige Nationenpreis der Schweiz ansteht. Er ist die dritte Station der neu formierten „Longines League of Nations“. Dotierung 700 000 Euro. Zehn Teams sind am Start. Nach St. Gallen folgt alsbald Rotterdam, danach nur noch das Finale im September in Barcelona.

Die historische Siegerliste des Preises der Nationen in der Schweiz beginnt erst 1927 in Luzern und Genf: Damals siegten zum einen die Franzosen, zum anderen die Eidgenossen. Wichtig zu wissen: Die bewährte Regel, dass jedes Mitgliedsland der FEI nur einmal im Jahr ein CHIO mit Nationenpreis ausrichten darf, besteht erst seit 1948.

Die Gastgeber, für die ihr Nationenpreis der mit Abstand wichtigste Wettkampf des Jahres darstellt, haben, beginnend 1927 bis heute, erst zwölfmal den Sieg davongetragen. Zuletzt siegten sie 2022 und 2023. Davor steht der Sieg von 2000 zu Buche – das kann mal wohl eine Durststrecke nennen. In den sechziger Jahren gab’s für die Schweizer drei Siege, in den Siebzigern keinen einzigen. Dafür drei in den Neunzigern. Früher hießen die Topreiter Weier, Melliger, Blickenstorfer, Hauri, Mändli und diverse Male Fuchs.

Die Bilanz der deutschen Equipen auf der „ewigen“ Bestenliste sieht ungleich besser aus: Seit 1927 stehen für uns insgesamt 19 Siege in der Bilanz. Der letzte datiert allerdings aus dem Jahr 2006. Da wär’s mal wieder an der Zeit, sich im Gründenmoos an die Spitze zu setzen – zuletzt in Rom schaffte Otto Beckers Quintett ja einen tollen Erfolg mit dreimal Doppelnull durch Jana Wargers, Jörne Sprehe und Kendra Brinkopp.

In den Vorkriegsjahren siegten deutsche Teams viermal, ebenso in den Fünfziger Jahren. Auch in den Sechzigern, Siebzigern und Achtzigern gab’s Erfolge – in den Neunzigern keinen einzigen. Kurios. Eine gemischte Bilanz haben deutsche Springreiter auch, wenn es um den Großen Preis der Schweiz geht, fast vergleichbar mit dem Großen Preis von Aachen:

2016 siegte unser Hansi Dreher auf Cool and Easy, 2012 Marcus Ehning auf Plot Blue (aus Schweizer Besitz), 2010 Carsten-Otto Nagel auf Corradina, 2004 Meredith Michaels-Beerbaum auf Shutterfly, 2002 Marcus Ehning auf For Pleasure, 2001 Ludger Beerbaum auf Gladdys, 1997 Lars Nieberg auf For Pleasure, 1994 Markus Beerbaum auf Poker, 1982 Jürgen Kenn auf Feuergeist, 1973 Hendrik Snoek auf Rasputin, 1962 HG Winkler auf Romanus, 1958 Fritz Thiedemann auf Godewind. Diese Liste scheint mir ausbaufähig.

Der Große Preis am Sonntag ist mit 308 000 Euro dotiert. Aber wie gesagt,  der Nationenpreis steht absolut im Mittelpunkt, wobei ich an dieser Stelle nochmal auf die neuen Regeln hinweisen möchte: Im ersten Umlauf gilt das bewährte alte Recht, nämlich vier Pferde mit einem Streichresultat. In der zweiten Runde aber dürfen pro Team nur noch drei Pferde starten – alle Fehler zählen, das Streichresultat gibt es dann nicht mehr.

Bei Olympia in Paris gibt es überhaupt kein Streichresultat mehr. Laut FEI und IOC soll das im Sinne des Tierschutzes sein. Wo da der Tierschutz ist, muss mir nochmal jemand erklären. Ich versteh’s bis heute nicht!