In der Wiener Hofburg brechen neue Zeiten an! Zum 1. Dezember übernimmt der 63-jährige Manager Alfred Hudler die Leitung der legendären Spanischen Hofreitschule. Just zur gleichen Zeit starten acht Bereiter mit 26 Weißen Hengsten in der Holstenhalle von Neumünster zu ihrer großen Europatour. Die „Spanische“ geht neue Wege. Man darf wirklich gespannt sein.

456 Jahre Geschichte hat die weltberühmte Reitschule mit ihren schneeweißen Lipizzanern hinter sich – ein zeitweise dramatisches Auf und Ab. Denken wir nur an das Ende des Zweiten Weltkriegs, als die geretteten Hengste und ihre Bereiter vor den Offizieren der US-Besatzungsmacht buchstäblich vorreiten mussten, um ihre vage Zukunft zu retten. Was ihnen auch gelang.

Zuletzt setzte dem vermeintlichen Heiligtum der Republik Österreich der hauseigene Rechnungshof mächtig zu: Geldverschwendung, Inkompetenz, Eigensinn und mancherlei mehr warfen 2020/21 die staatlichen Prüfer der Führungsriege um Sonja Klima und Erwin Klissenbauer vor. Ehemalige Oberbereiter ließen an der Ex-Frau des früheren Bundeskanzlers Viktor Klima kein gutes Haar. Der langjährige Chef des Aufsichtsrates, Johann Marihart, hatte den Hengst seiner Tochter auf Kosten der Reitschule ausbilden lassen; Marihart trat zurück – die juristische Aufarbeitung dieser Affäre dauert noch an.

Jetzt aber, so scheint es, macht der smarte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig Nägel mit Köpfen. Die künftige Leitung der „Spanischen“ hat er öffentlich ausgeschrieben, 42 Damen und Herren aus der Alpenrepublik und aus dem Ausland haben sich, so heißt es, beworben – darunter, so munkelt man, auch Sonja Klima und Erwin Klissenbauer. Doch beide fanden vor den Auswahlgremien offenkundig keine Gnade mehr, man könnte auch sagen kein Vertrauen mehr. Sonja Klima ist eine charmante Hobbyreiterin – zu wenig, um die in finanzielle Schieflage geratene Hofreitschule aus der Krise von den roten in die schwarzen Zahlen zu führen.

Der neue Mann an der Spitze der „Spanischen“ mit ihren rund 80 Hengsten, ihrer Zentrale in Wien sowie ihren Außenstellen in Piber und Heldenberg, heißt Alfred Hudler, gilt als international erfahrener Manager, war Chef der eingeführten Sprudelfabrik Vöslauer Mineralwasser sowie der Konzernholding Ottakringer Getränke AG – von Pferden allerdings, namentlich von der historischen Rasse der Lipizzaner, hat dieser sportiv-fotogene Herr keinerlei Ahnung!

In Wien heißt es dazu: Hippologische Kompetenz wie etwa seine legendären Vorgänger Alois Podhajsky oder Oberst Handler, die selbst täglich im Sattel saßen, Hengste ausbildeten und bei Auftritten an der Tete ritten – alles gar nicht notwendig. Man besitze genügend Sachkunde bei der Zucht und im Sattel, was aber fehle, das sei quasi die Geschäftsidee: Mehr Zuschauer in Wien, mehr Touristen bei der Morgenarbeit und den abendlichen Vorführungen in der historischen Reithalle. Es geht dabei, jeder ahnt es, schlichtweg ums Geld. Die jährlichen Defizite im Millionenbereich müssen reduziert, die Auftritte deshalb deutlich gesteigert werden.

Alfred Hudler, der neue Chef der „Spanischen“, geht nun in die Vollen: Im Rahmen des Trakehner Hengstmarktes gastieren die Wiener am 30. November, 1. und 2. Dezember in der Holstenhalle von Neumünster. Danach geht’s (9. und 10. Dezember) in die Royal Arena von Kopenhagen. Weiter führt die Tournee am 16., 17. und 18. Dezember in die Telenor Arena nach Oslo. Im Januar gastieren die weißen Hengste am 7. und 8. Januar in Paris, vom 12. bis 15. Januar in der St. Jacobs Halle beim internationalen Turnier in Basel. Und das soll nur der Anfang sein.

Machen wir uns nix vor: Mit dieser Tournee vollzieht man in der Wiener Hofburg einen Paradigmenwechsel, denn Jahrzehnte lang hieß es dort selbstbewusst, ja fast schon arrogant: Wer uns sehen möchte, der muss halt hierher nach Wien kommen! Aus welchem Winkel der Welt auch immer. So ändern sich also notgedrungen die Zeiten. Wenn die Menschen – etwa wegen Corona – nicht zu ihren Stars kommen, dann müssen eben die Stars zu ihren Fans reisen. Ich bin gespannt, was die Wiener Rechnungsprüfer in zwei bis drei Jahren zur neuen Strategie eines Alfred Hudler sagen.