Es gibt magische Momente im Sport, da denkt man sich: Später einmal werde ich sagen können, ich sei dabei gewesen. Solch einen Moment gab’s  für mich gestern, eine Stunde vor Mitternacht: Philipp Weishaupt siegt „nach gefühlt 25 Anläufen“, wie er selbst sagt, zum ersten Mal im Stechen um den „German Master“. Und Sophie Hinners wird sensationell Zweite auf der erst neunjährigen Marbacher Stute Graphik – der Durchbruch für die 24-Jährige, wie ich finde, auf die große internationale Bühne. Hut ab!

Hauke Schmidt ist es, der das unvergleichliche Konzept für den German Master erdacht hat: Ein Zeitspringen am Donnerstag, eine zweite Qualifikation am frühen Freitagabend, schließlich am späten Freitag das Finale – nur für die punktbesten zwölf aus den beiden Runden zuvor, dazu ein Stechen als Höhepunkt. Catherine Burdsall, die Amerikanerin, siegte mit dem legendären The Natural bei der Premiere im Jahr 1987. Danach finden wir auf der Siegerliste Pferdelegenden wie Milton, Norton de Rhuys, Ratina Z, For Pleasure, Authentic, Gladdys, Shutterfly, Chaman, Colorit, Aliceund allerhand andere. (Die Reiternamen darf der passionierte Leser gerne hinzuraten.)

Nun also kommt der neunjährige Wallach Krokant hinzu, von dem Philipp Weishaupt sagt: „Wir haben ihn erst seit sechs Monaten im Stall. Franke Sloothaak hat mir geholfen, noch besser mit ihm zurecht zu kommen.“ Und auf die Frage, ob dieses Pferd verkäuflich sei, antwortet er wie eben ein Profi antwortet: „Alle unsere Pferde sind verkäuflich. Krokant ist seit heute Abend noch etwas teurer geworden. Wir haben bei Riesenbeck International sechzig Angestellte, die jeden Monat ihr Gehalt haben möchten. Die Hälfte unserer Zeit verbringen wir mit der Suche nach guten Pferden. Ohne das Internet ginge das gar nicht.“ Kleiner Einblick in die Beerbaum Stables.

Und dann hob Philipp unvermittelt an zu einer Lobrede auf das Stuttgarter Turnier und ihre Macher: „Wir Reiter haben dieses Turnier wirklich sehr vermisst. Es war heute Abend wieder eine tolle Stimmung. Für mich ist die Schleyerhalle die weltbeste Reithalle! Wir hatten einen prima Boden, der solch ein Stechen möglich gemacht hat.“ Naturgemäß ist der Sieger immer zufrieden – aber Philipps Komplimente, das war kein taktisches Honig um den Bart Schmieren.

Ohne dem sympathischen Philipp zu nahe zu treten: Der zweite Platz von Sophie Hinners und der Stute FBW Graphik aus dem Besitz des Haupt- und Landgestüts in Marbach – das war der eigentliche magische Moment: „Richard und ich haben dieses Pferd auf einem Turnier in Darmstadt entdeckt und gleich gewusst: Diese Stute müssen wir haben.“ Mit Richard ist ihr Lebenspartner Richard Vogel gemeint, der am Abend zuvor das Hallenchampionat für die baden-württembergischen Springreiter gewonnen hatte. Vogel wurde nach zwei Abwürfen im Stechen Dreizehnter und damit Letzter.

Von Anfang an peilte Sophie eine Nullrunde an, ohne zu bummeln. Stilistisch vom Feinsten geritten auf einem Pferd, das aufmerksam nach vorn galoppiert, alle Aufgaben annimmt, kein Zögern, kein zur Seite Ausweichen, alle Distanzen passend, alle Wendungen präzise – ein gutes Stück Reitkunst! So sehe ich das. Da blieben den abgeklärten Vollprofis wie Harrie Smolders, Wilm Vermer, Hansi Dreher, Marc Dilasser, Marcus Ehning, Martin Fuchs, Patrick Stühlmeyer, Lorenzo de Luca, Henrik von Eckermann und Partner Richard  Vogel nur die Plätze hinter ihr.

Sophie Hinners – diesen Namen werden wir uns gut merken müssen. Und wir sollten, was den German Master angeht, noch folgendes bedenken: Mercedes Benz, Sponsor seit den achtziger Jahren, hat sich zurückgezogen, die Reiter schmählich im Stich gelassen, um es offen und ehrlich zusagen. Den „Mercedes-German-Master“ gibt’s nicht mehr. Die in.Stuttgart als Veranstalter des Turniers war gestern Abend der Sponsor. Ihr Chef Andreas Kroll hat vor Kurzem gesagt: „Wir gehen für die Reiter ins Risiko!“ Nur gut, dass die Schleyerhalle zum ersten mal in diesen Tagen ausverkauft war. Heute und morgen sollte es wieder so sein. Der Mut der Turniermacher und die tolle Reiterei der Akteure hätten es mehr als verdient.

Info unter www.stuttgart-german-masters.de