Am Cannstatter Wasen in Stuttgart läuft das 36. German Master. Ein gutes Gefühl. Alle freuen sich, dass man sich wiedersieht nach den zähen Jahren der Pandemie. Gleich im internationalen  Eröffnungsspringen zeigt sich: In diesen schwierigen Jahren haben die jungen Frauen im Sattel – früher sprach man von Amazonen – weiter aufgeholt. Sie reiten mutig, in tollem Stil, mit viel Gefühl guten Pferden.

Mal Hand aufs Herz: Kannten Sie Paris Sellon aus den USA, Jessica Burke aus Irland, Alise Oken und Alessandre Volpi aus Amerika, Nora Pentti aus Finnland, Pia Reich aus Deutschland, Alexa Stais aus Zypern, Victoria Gulliksen aus Norwegen und Gudrun Patteet aus Belgien? Gut, ich höre es schon: Natürlich sind in unseren Breiten die Damen Patteet, Reich und womöglich Pentti bekannt. Auch Marie Ligges, die Enkeltochter unseres unvergessenen Freundes Fritz Ligges. Victoria Gulliksen hat das Weltcupspringen von Verona am vergangenen Wochenende gewonnen. Heute sind sie allesamt in das  36. German Master gestartet.

Das ging gleich spektakulär los: Alessandra Volpi und Marie Ligges mussten gleich mal aus dem Sattel. Ihr Aufgalopp war wohl einen Tick zu stürmisch. Macht aber nix. Gudrun Patteet und ihre Stute Sea Coast Donna Z siegten fehlerlos in 58,10 Sekunden. Gleich Dahinter Jessica Burke auf Inpuls in 59,43 Sekunden. Also mit Abstand. Dann Bryan Balsiger: seine Stute Just Special kam nach 63,56 Sekunden über die Ziellinie. Danach Nora Pentti und Con Caya in 64,38 Sekunden.

Ich weiß, ich weiß: Die Eröffnungsspringen dieser Art sind eigentlich gedacht für eher ruhige, flüssige Runden, um die Pferde an die neue Umgebung zu gewöhnen. Aber manche(r) legt gerne flott los, um sich die ersten tausend Euro Siegprämie zu sichern – das wär‘ ja schon mal das Benzingeld. Dabei sticht einem, wenn man aufmerksam hinschaut, das eine oder andere interessante Nachwuchspferd auf. Etwa der achtjährige Hengst Dembele unter Marie Ligges, auch Thuur Z, achtjährig unter Victoria Gulliksen. Oder Alexa Stais, Schülerin von Markus Beerbaum, der wieder mal an den Neckar gekommen ist, mit dem neunjährigen Lucato Mad Jo, einem Hannoveraner mit Stakkato im Pedigree.

Ins Auge sticht mir aber auch Daniel Deussers achtjähriger Loui aus der schwedischen Zucht. Daniels Reiterei ist das Eintrittsgeld wert an diesem sonnigen Donnerstag – leicht und locker galoppierend, aufmerksam vorwärts, rhythmisch – wie aus dem Lehrbuch. So soll das sein und aussehen, wenn man ein Nachwuchstalent in den großen Sport einführt. Kompliment!

Mein Eindruck an diesem Morgen, keineswegs respektlos gemeint, aber ehrlich gesagt: Die Frauen, zumal die jungen Frauen, zu denen  für mich natürlich auch Sophie Hinners gehört, rücken immer weiter vor. Hinners führt im aktuellen Springen während ich diesem Blogg schreibe. Für die alten weißen Männer wird es schwerer und schwerer, sich zu behaupten. Namen tun dabei nix zur Sache. Ich meine das keineswegs persönlich. Aber die Tendenz ist klar. Was in Dressur und Vielseitigkeit bereits an der Tagesordnung ist, wird im Springen nicht mehr lange auf sich warten lassen: Die Frauen immer wieder und immer mehr auf dem obersten Treppchen.

Im zweiten Internationalen Springen am frühen Nachmittag steht Michael Jung mit Fischerchelsea an der Spitze – Preisgeld 2500 Euro. Der Eidgenosse Brian Balsiger mit Urbanus auf Rang zwei vor dem Franzosen Marc Delasser auf Ennemmele. Sophie Hinners steuert den Marbacher Gestütshengst Grafik auf Rang vier. Alessandra Volpi aus den USA wird siebte mit Berlinda, die man früher unter Hansi Dreher im internationalen Parcours sah. Die Frauen bleiben dran. Mal schauen, wie am Sonntag die Schlussbilanz ausfällt.

Info www.stuttgart-german-masters.de