An diesem Vormittag werden in Warendorf wichtige Weichen gestellt: Die FN hat gegen 11.30 Uhr offiziell mitgeteilt, dass ihr Präsidium das Touchieren verbieten wird. Es folge damit der einstimmigen Empfehlung der 27-köpfigen „Kommission Ausbildungsmethoden“. In naher Zukunft soll der FN-Beirat Sport das Verbot des Touchierens in das Regelwerk der LPO (Leistungsprüfungsordnung) aufnehmen. Zugleich weist die FN ausdrücklich darauf hin, dass diese Entscheidung keine juristische Bewertung des RTL-Beitrags vom 11. Januar und der darin erhobenen Vorwürfe gegen Ludger Beerbaum darstelle. Für ein Ordnungsverfahren in dieser Sache wäre die FN-Disziplinarkommission zuständig. Die Prüfung des Falles dauere an – zu den laufenden Ermittlungen werde man sich nicht öffentlich äußern. 

Zunächst zu den Gründen des Verbots und den von FN-Präsidium und FN-Kommission erörterten und gewichteten Fakten in sieben Punkten:

Erstens: Für alle Beteiligten steht das Wohl des Sportpartners Pferd an oberster Stelle. Es herrscht Einigkeit darüber, dass ein fairer Pferdewport nur in Partnerschaft und mit einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Mensch und Pferd möglich ist. Grundlage dafür ist die klassische Reitlehre, die in den Richtlinien für Reiten und Fahren beschrieben ist.

Zweitens: Die fachgerechte Anwendung des Touchierens am Sprung im Sinne der Richtlinien ist nach Auffassung der FN nach wie vor nicht tierschutzrelevant.

Drittens: Die Ausbildungskommission kam jedoch zu der Erkenntnis, dass bei der Ausführung des Touchierens am Sprung in der Praxis das Risiko einer Abweichung von der Beschreibung in den Richtlinien hoch ist. Die Möglichkeit, dass beim Touchieren am Sprung Fehler gemacht werden, besteht. Bei dieser Methode gibt es fast keine Fehlertoleranz. Kleine Abweichungen können negative Folgen für das Pferd haben.

Viertens: Selbst Fachleuten fällt es oft schwer zu veranschaulichen und zu vermitteln, wo die Grenze des bisher erlaubten, fachgerechten Touchierens am Sprung liegt. Es gibt in der Praxis keine einheitliche Auffassung über das korrekte Touchieren von Pferden im Sprungablauf.

Fünftens: Aufgrund der Komplexität des Touchierens am Sprung und der enorm hohen Anforderungen an die Akteure*innen kann selbst eine Schulung eine korrekte Umsetzung in der Praxis nicht garantieren.

Sechstens: Kommission und Präsidium kamen deshalb zu dem Schluss, dass im Sinne der Pferde künftig auf diese Methode verzichtet werden soll. Nur durch ein Verbot des Touchierens am Sprung können die Pferde von einer falschen Anwendung und alle Akteur*innen vor den Konsequenzen einer versehentlichen Falschanwendung geschützt werden.

Siebtens: Das Verbot des Touchierens am Sprung steht im Einklang mit dem internationalen Regelwerk.

Wichtiger Hinweis in der FN-Pressemitteilung: Es ist nicht die Aufgabe der Kommission Ausbildungsmethoden, die im RTL-Beitrag vom 11. Januar 2022 gezeigten Bilder juristisch zu bewerten und Ordnungsmaßnahmen auszusprechen. In dem Beitrag wurde die mutmaßliche Anwendung unerlaubter Trainingsmethoden gezeigt. Die FN prüft weiter, ob sich aus diesen Bildern der Vorwurf einer Verletzung der Leistungsprüfungsordnung (LPO) ergibt und wird sich zu den laufenden Ermittlungen nicht äußern.

Der FN-Generalsekretär Soenke Lauterbach wird mit folgenden Sätzen zitiert: „Der Weltreiterverband FEI hat sich klar positioniert und gesagt, dass laut seinem Regelwerk sowohl das Barren als auch das Touchieren am Sprung verboten sind. Das heißt, jeder international startende Reiter läuft Gefahr, wegen eines Verstoßes gegen internationale Regeln zur Verantwortung gezogen zu werden, auch wenn das Pferd im Training fachgerecht im Sinne unserer Richtlinien am Sprung touchiert wird. Indem wir das Touchieren verbieten, gleichen wir unser nationales Regelwerk an die internationalen Regeln der FEI an.

Mein persönlicher Kommentar: Das Verbot des Touchierens ist richtig – ein wichtiges Signal des deutschen Pferdesports nach innen und nach außen! Eine Alternative dazu gab es für die 27-köpfige Komission und für das Präsidium der FN nicht. Genau genommen, handelt es sich um eine rein politische Entscheidung. Die FN betont ja ausdrücklich, dass das „fachgerechte Touchieren“ nach ihrer Ansicht „nicht tierschutzrelevant“ sei. Dass die 27-köpfige Ausbildungs-Kommission sowie das FN-Präsidium das Verbot einstimmig beschlossen haben, ist ein gutes Zeichen.

Nicht auszudenken, wenn es in den Gremien etwa nur eine knappe Entscheidung für ein Verbot gegeben hätte oder gar eine Mehrheit, das Touchieren weiterhin zu akzeptieren. Selbst ein Minderheitsvotum zugunsten des Touchierens wäre der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln gewesen. In den vergangenen Wochen, seit dem RTL-Beitrag vom 11. Januar, hat es meines Wissens niemanden gegeben, der öffentlich die Forderung erhoben hat, das Touchieren auch weiterhin zuzulassen. Wie die Ermittlungen zum Fall Ludger Beerbaum ausgehen, was an Ende des Verfahrens steht, ist gegenwärtig völlig offen.

Sicher ist indessen: 32 Jahre nach der Barr-Affäre um Paul Schockemöhle, aus der man das Touchieren quasi als Kompromiss unter strengen Auflage als akzeptabel abgeleitet und zugelassen hat, wird dieses stets umstrittene Kapitel jetzt geschlossen. Man darf gespannt sein, was die Debatten der kommenden Tage und Wochen erbringen.

Ach, übrigens: Alle diejenigen, die mit der Ausbildung und dem Leistungssport mit den Springpferden zu tun haben, müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie von nun an unter verstärkter Beobachtung stehen – vor allem, auf ihren heimischen Reitanlagen. Wann genau, also zu welchem Termin, das Touchieren verboten wird, spielt dabei praktisch keine Rolle. Und wer der Ansicht ist, man könne weiter das Touchieren oder gar das Barren praktizieren, man müsse halt nur ein bisschen besser aufpassen – dem ist aus meiner Sicht nicht mehr zu helfen.

Der FN-Generalsekretär legt seinen Finger genau in diese Wunde, indem er sagt: „Das Touchieren durfte nicht bei jungen Pferden angewendet werden. Fotos und Videos von Körungen und Jungpferdeprüfungen dokumentieren immer wieder Fälle, in denen Pferde unnatürlich und besonders vorsichtig oder hoch springen, wo sie das gar nicht müssten. Das hätte es nie geben dürfen und das darf es auch nicht mehr geben. Wenn man diese Bilder sieht, muss auch der Letzte verstanden haben, dass umgehender Handlungsbedarf besteht.“ Die Beweise für Lauterbachs Kritik finden sich gerade in diesen Tagen und Wochen, da die Zuchtsaison anläuft, zuhauf in den hippologischen Medien.

Ludger Beerbaum nimmt Stellung: „Die heutige Entscheidung der FN, die Trainingsmethode des Touchierens von Pferden zu verbieten, kann ich gut nachvollziehen. Wenngleich aus meiner Sicht eine differenziertere Betrachtungsweise auch möglich gewesen wäre. Denn die fachgerechte Anwendung des Touchierens ist nach der gemeinsamen Auffassung von Verband und vielen Spitzensportlern nach wie vor nicht tierschutzrelevant. Nach vielen Bemühungen der Kommission Ausbildungsmethoden hat sich aber herausgestellt, dass es aufgrund der Komplexität in der Ausübung des Touchierens sehr schwer zu vermitteln ist, wo die Grenze des bisher Erlaubten liegt. Für den Spitzensport wird damit eine angewandte und anerkannte Trainingsmethode wegfallen. Als Sportler und als Verband werden wir künftig der Öffentlichkeit viel stärker erklären müssen, wie wir es schaffen, gemeinsam mit unseren Pferden Spitzenleistungen zu erzielen.“

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