Der Schweizer Max Ammann ist eine lebende Legende. Als Ermatinger vom Jahrgang 1938 verkörpert er eine ganz ungewöhnliche Biographie: Weltläufiger Journalist der alten Schule! Erfinder und Direktor des Weltcups der Springreiter! Gründungspräsident der weltweiten Allianz der Pferdesportjournalisten! Kenntnisreicher Chronist des internationalen Pferdesports! Heute ein kritischer Mahner, der weltweit Gehör findet!
Weshalb erwähne ich das alles und sende an ihn herzliche und kollegiale Grüße? Ganz einfach. In seiner wöchentlichen Kolumne „Standpunkte“ in der Schweizer „Pferdewoche“ widmet sich Max Ammann unserem Weltverband FEI, den er in- und auswendig kennt, so gut wie kein anderer. Dabei geht es ihm um die verbandsinterne Demokratie, genauer gesagt, um die Frage, wie eigentlich Abstimmungen innerhalb der FEI zustande kommen und vor welchem Hintergrund. Max Ammann nennt spannende Fakten und Details.
Er schreibt: „136 Länder sind Mitglied der FEI. 28 von ihnen wurden es vor dem Zweiten Weltkrieg, darunter Frankreich, Belgien, Großbritannien, Italien, die Niederlande, USA, Österreich und Deutschland. Heute haben von diesen 136 Mitgliedsländern 32 überhaupt keine Pferde bei der FEI registriert, ein weiteres Dutzend nur ein oder zwei Pferde. Trotzdem haben diese Länder bei FEI-Abstimmungen eine Stimme – so viele wie die erwähnten Großen.
Es waren diese „pferdelosen“ Länder, die bei der FEI-Generalversammlung 2021 in Antwerpen in erster Linie dazu beitrugen, dass die FEI die umstrittene Regelung von drei Reitern je Disziplin bei den Olympischen Spielen beibehielt. Dies gegen die von Steve Guerdat vorgetragenen Argumente des Internationalen Springreiterclubs (IJRC) für vier Reiter und die große Mehrheit der Länder, die den internationalen Pferdesport nicht nur dominieren, sondern auch finanziell tragen. Dass die FEI mit diesem Abstimmungsergebnis den Globalisierungsträumen es IOC entspricht, ist ein zweifellos in FEI-Kreisen willkommenes Beiprodukt.
Diese international gesehen „pferdearmen“ oder „pferdelosen“ Länder bezahlen auch geringere Jahresgebühren an die FEI. In den Jahren vor Corona mussten die „Großen“ pro Jahr 20 000 Euro entrichten. Am unteren Ende der jährlichen Bezahlungsskala waren es 500 Schweizer Franken. Als Folge von Covid-19 ist dieser Jahresbeitrag von der FEI halbiert worden: also auf 10 000 bis 250 Schweizer Franken. Trotzdem haben alle 136 Mitgliedsländer der FEI bei Abstimmungen auf der Generalversammlung jeweils eine Stimme. Allerdings entsenden viele der „pferdearmen“ Länder gar keine Delegierten zur Versammlung und lassen sich auch nicht vertreten. Der Zweck der FEI-Mitgliedschaft ist ja mit der Mitgliedschaft erfüllt: Je mehr internationale Mitgliedschaften ein nationaler Sportverband oder ein nationales olympisches Komitee vorzeigen können, desto wichtiger wird man.
Es gibt böse Stimmen, die argumentieren, dass der FEI diese „pferdearmen“ Länder willkommen sind. Denn kommt es zu umstrittenen Abstimmungen, sind deren Delegierte leichter im Sinne der FEI zu beeinflussen als die Vertreter der großen Pferdesportnationen. Anzufügen ist, dass die Delegierten dieser „pferdearmen“ Länder bei der FEI-Generalversammlung für etwas ihre Stimme abgeben, was sie gar nicht betrifft.“
Max Ammanns Fazit: „Dieses Ein-Land-eine-Stimme-Prinzip wurde innerhalb er FEI immer wieder diskutiert, allerdings nie ernsthaft. Ich kann mich nicht erinnern, dass dieses Thema jemals auf der Antragsliste einer Generalversammlung oder einer Sitzung des FEI-Bureaus stand. Allerdings: Bei einer Abstimmung darüber kann man sich nicht vorstellen, dass diejenigen Länder, die bei der Annahme einer „gewichteten Stimmenzahl“ ihren Einfluss verlieren würden, für diese Rückstufung stimmen würden!“
Mein Fazit: Max Ammann hat einmal mehr den Finger in die Wunde gelegt. Einen FEI-Kritiker, der renommierter wäre als er, gibt es schlechterdings nicht. Ammann ist frei von jeglicher Polemik, stützt sich allein auf die blanken Fakten. Verdienstvoll und hilfreich wäre es, wenn Max Amman in einer weiteren Kolumne konkrete Vorschläge machen würde, wie sich die innere Demokratie bei der FEI verbessern ließe. Wenn man ganz genau hinschaut und das liest, was Max Ammann vor Kurzem in der „Pferdewoche“ geschrieben hat, so wird deutlich: Im Weltverband der Reiter herrscht eine Diktatur der kleinen Nationen über die großen, die den Sport tragen und finanzieren. Wie lange noch?
Mein Tipp zum Schluss: Wer schnell schaltet und sich interessiert für Max Ammans „Geschichte des Pferdesports“, der kann das spannende Standardwerk antiquarisch kaufen unter www.zvab.com