Noch immer hält das Erstaunen darüber an – Matthias Rath und seine Schafhof Connects GmbH weiten ihr bis dato noch schmales, auf Kronberg und Frankfurt konzentriertes Geschäftsfeld aus, übernehmen 2024 die Leitung des Traditionsturniers in Donaueschingen. Blickt man zurück in die Historie der Familien von Adolf Schindling über Liselott und Ann Kathrin bis hin zu Matthias Alexander Rath, so entdeckt man durchaus eine Kontinuität. Stets haben in diesen Familien die Pferde eine zentrale Rolle gespielt.

Forscht man ganz penibel nach, so beginnt die Geschichte dieser Rückschau am 10. November 1887 in Höchst am Main: Adolf Schindling wird geboren, fünftes Kind einer alteingesessenen Fischerfamilie. Adolf absolviert eine Kaufmannslehre, arbeitet in der Metallindustrie, erlebt den Ersten Weltkrieg als Marineoffizier. 1920 gründet er mit einem Partner ein Unternehmen, das auf den Bau von Tachometern für die aufstrebende Automobilbranche spezialisiert ist. 1921 heiratet Adolf Schindling Elisabeth Paulus, 1927 kommt ihre Tochter Liselott zur Welt.

Ende der zwanziger Jahre sehen wir Adolf Schindling auf dem Weg zu einem hoch erfolgreichen Industriellen: Sein Unternehmen, das jetzt „VDO Tachometerwerke Adolf Schindling“ heißt, hat bereits 300 Mitarbeiter, liefert Tachometer für Autos, Flugzeuge und Schiffe, darüber hinaus Messinstrumente aller Art: Man baut beispielsweise die ersten Fahrtenschreiber, auch Drehzahlmesser und Uhren. Am Ende der Fünfziger Jahre beschäftigt VDO in Frankfurt rund 3000 Mitarbeiter, der jährliche Umsatz ging in die Milliarden. Viele von uns erinnern sich daran, dass man auf den Tachos unserer frühen VWs, Opels, Fords oder auch Daimlers die drei Großbuchstaben „VDO“ lesen konnte.

An dieser Stelle kommen (endlich) die Pferde ins historische Spiel: Adolf Schindling mochte Pferde, leistete sich im Örtchen Tanneck unweit von Köln das Vollblutgestüt Asta (Adolf Schindling Tanneck). Die Galopper aus dem Gestüt Asta zählten seinerzeit zum Besten, was man auf den deutschen Bahnen zu sehen bekam. Tochter Liselott heiratete 1950 den stets heiteren Charmeur und Reiter Fritz Linsenhoff,  steigerte sich in den Fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zu einer der weltweit besten Reiterinnen auf dem Dressurviereck. Durch die Hilfe ihres Vaters besaß sie das Privileg, den legendären Dressurausbilder Otto Lörcke als ihren privaten Trainer zu haben.

Vielen von uns fällt bei dem Namen Liselott Linsenhoff natürlich sofort ein, dass sie im Sattel des schwedischen Hengstes Piaff bei den Olympischen Spielen von 1972 in München die Goldmedaille gewann, dazu Silber mit der Mannschaft. Was man dabei vergisst: Bereits 1956 startete Liselott Linsenhoff bei den Olympischen Reiterspielen in Stockholm, wo sie Einzelbronze und Teamsilber holte.

Adolf Schindling, ihr Vater, starb im August 1963 in Frankfurt. Seine Tochter beendete 1975 ihre Sportkarriere. Im gleichen Jahr endete ihre Ehe mit Fritz Linsenhoff – sie nahm ihren Mädchennamen wieder an, heiratete Anfang der achtziger Jahre den Schuhfabrikanten und Dressurreiter Klaus Rheinberger aus Pirmasens. 1991 verkaufte sie das gesamte geerbte Unternehmen an den Mannesmann-Konzern. 1999 ist sie in Südfrankreich gestorben.

Die erfolgreiche Tradition der Reiterfamilie Linsenhoff setzte die 1960 in Düsseldorf geborene Ann Kathrin Linsenhoff fort. Mit Hilfe der renommierten Dressurausbilder Siegfried „Bimbo“ Peilicke und Herbert Kuckluck ritt sie rasch an die deutsche Spitze der Nachwuchsreiter, später der Senioren: 1987 gewann sie bei der EM in Goodwood Silber in der Einzelwertung, Gold mit der Mannschaft. Ihre stute Courage trug sie ein Jahr später bei den Olympischen Spielen in Seoul zu Einzelbronze und Teamgold – der Höhepunkt ihrer Sportkarriere. 1989 gab’s bei der EM in Luxemburg wieder Einzelbronze und Mannschaftsgold. 1990 gab’s für sie Teamgold bei der WM in Stockholm.

Am Beginn der zweitausender Jahre neigte sich Ann Kathrin Linsenhoffs Karriere ihrem Ende zu. Die studierte Tierärztin gewann 2002 in Jerez de la Frontera noch einmal Gold bei der Team-WM. 2007 musste sie aus gesundheitlichen Gründen ihre aktive Laufbahn beenden – eine Erkrankung an Borreliose zwang sie dazu. Seit dem Jahr 2000 ist Ann Kathrin Linsenhoff in zweiter Ehe mit dem Pferdewirtschaftsmeister und Dressurausbilder Klaus Martin Rath verheiratet. Rath, Jahrgang 1959, brachte seinen 1984 geborenen Sohn Matthias Alexander Rath mit in die Ehe – dessen Mutter ist Melitta Huck aus der berühmten holsteinischen Reiterfamlie; Reitmeister Karsten Huck, Bronzemedaillengewinner im Springreiten bei den Spielen von Seoul 1988,  ist sein Onkel.

Matthias Rath, heute 38 Jahre alt, lebt und trainiert seit zwei Jahrzehnten auf dem familieneigenen Schafhof in Kronberg bei Frankfurt, einer der nobelsten und schönsten Reitanlagen Europas. Mit Hilfe seiner Stiefmutter, deren Pferde er reiten durfte, etablierte er sich in der deutschen Spitze, wurde 2008 deutscher Meister, zählte 2010 mit Sterntaler-Unicef zum deutschen WM-Team in Lexington. 2010 begann die bittersüße Geschichte um Matthias Rath und dein vermeintlichen Wunderhengst Totilas. Darüber ist an dieser und an vielen anderen Stellen alles Wesentliche geschrieben und gesagt worden. Das genügt. 2015 endete Totilas Turnierkarriere, 2020 ist der Hengst eingegangen.

Jetzt, im Spätherbst 2022, sorgt Matthias Alexander unerwartet für neue, ausgesprochen positive Schlagzeilen: Beim Turnier in der Schleyerhalle siegte er auf Destacado überraschend im Finale um den Titel German Master. Am vergangenen Donnerstag gab die Stadt Donaueschingen bekannt, dass die von Matthais Rath geführte Schafhof Connects GmbH von 2024 an das Traditionsturnier im Schlosspark veranstalten wird: Es wird dann das 67. Turnier unweit der Donauquelle geben. Man darf gespannt sein.