In den angesehenen Reitsportmagazinen fand sich kürzlich eine bemerkenswerte Stellenanzeige aus Wien: Die weltberühmte Spanische Hofreitschule sucht „eine/n Pferdepfleger/in in Vollzeit mit 5 bzw. 6-Tagewoche mit Wochenend-, Feiertags- und Nachtdienst“.

Erwartet werden Pflege und Fütterung der Pferde, Instandhaltung der Ställe und der Reitanlage in der Wiener Hofburg, das Aufzäumen und Aufsatteln der Pferde – dazu natürlich Zuverlässigkeit, Motivation, Einsatzbereitschaft, Flexibilität und Teamfähigkeit. Sodann heißt es wörtlich: „Wir bieten einen monatlichen Lohn von brutto 1700 Euro.“ Bei entsprechender Qualifikation und Leistung sei „Überzahlung“ möglich, also etwas mehr Geld.

Was in diesem Stellenangebot fehlt, ist die Antwort auf die Frage: Wie kommt eine oder einer ausgerechnet in Wien, das zu den teuersten Städten Europas zählt, mit 1700 Euro brutto über die Runden? Wohnen die Pfleger der „Spanischen“ evtl. kostenfrei in der Hofburg? Werden Sie dort versorgt, was das Essen und Trinken betrifft? Müssen sie für ihre Kleidung selbst aufkommen oder gibt’s da Hilfen?

Wer’s nicht wissen sollte: Der historische Gebäudekomplex der Wiener Hofburg umfasst unter anderem auch das Bundeskanzleramt der Republik Österreich. Täglich kommen – wenn nicht wegen Corona gesperrt ist – Hunderte von Besuchern in die „Spanische“, sie können durch Glasfenster mitten in die Ställe blicken. Also müssen Reiter und Stallleute jederzeit picobello angezogen sein, alles muss tipptopp sein!

Scharfe Kritik vom Rechnungshof

Zugegeben, die aktuelle Suche nach neuem Personal für die Pflege der weißen Hengste in der Hofburg ist nur eine Randnotiz, verglichen mit dem, was seit einigen Wochen quasi wie ein Damoklesschwert über der „Spanischen“ hängt.

Denn der österreichische Rechnungshof hat nach jahrelanger intensiver Prüfung in diesem Herbst ein kritisches Gutachten über die finanzielle Lage der Hofreitschule, über das Lipizzanergestüt Piber in der Steiermark sowie über die angeschlossene Reitschule in Heldenberg in Niederösterreich veröffentlicht.

In der bunten Wiener Presse hat das eingeschlagen wie eine Bombe, denn es geht immerhin um Defizite in Millionenhöhe. Und es geht – amtlicherseits von höchster Stelle – um happige Vorwürfe einerseits, um klare Vorgaben für die Zukunft andererseits.

100 Seiten, 42 Empfehlungen

Der kritische Bericht des Rechnungshofes, der die Jahre zwischen 2014 und 2019 penibel beleuchtet, umfasst nicht weniger als einhundert Seiten, am Ende listet er nicht weniger als 42 Empfehlungen auf. Deshalb an dieser Stelle nur einige der brisanten Fakten: Im Jahr 2014 war, so heißt es wörtlich, „die Spanische Hofreitschule durch Zahlungsunfähigkeit in ihrem Bestand gefährdet“.

Von 2014 bis 2019 hat die „Spanische“ 8,5 Millionen Euro vom Staat und den Bundesländern erhalten. Trotzdem wurden Verluste geschrieben – rund 13 Prozent der Summe konnten nicht erwirtschaftet werden. Die Finanzprobleme sind bis heute nicht gelöst.

Weitere Fakten: Die Haltung der weißen Hengste in der Wiener Innenstadt bleibt ein Kritikpunkt, obwohl man im Innenhof der Hofburg kleine Paddocks für sie gebaut hat. Die Hengste wurden offenbar, das zeigt die Statistik, immer wieder überfordert. Früher gingen die Lipizzaner erst mit 21 Jahren altersbedingt aus dem Beritt, nun müssen sie mit 19 Jahren „in Pension“ gegeben werden, weil sie nicht mehr können.

Die Ausbildung der Hengste für die Hohe Schule dauert im Schnitt mehr als fünf Jahre. Nicht alle Hengste aus der eigenen Zucht in Piber besitzen das Talent für die Hofreitschule. Die Prüfer haben immerhin erkannt, dass wegen der langen Zuchtgeschichte die Gefahr der Inzucht evident ist.

Schließlich dies: Der Rechnungshof bemängelt die fehlende Planbarkeit in der Hofreitschule. Die Zusammenarbeit mit dem Gestüt in Piber sei mangelhaft, weil die Kompetenzen nicht eindeutig fixiert seien. Genauer gesagt: Die Fachleute in der Hofburg und ihre Kollegen in Piber sind sich häufig uneins, was die Nachzucht angeht, also welche Hengste den Nachwuchs für die Zukunft „liefern“ sollen. In Piber, so der Rechnungshof, fehle eine „präzise Zuchtstrategie“.

An dieser Stelle will ich versuchen, die missliche Lage der Spanischen Hofreitschule zu analysieren und zu kommentieren. Zunächst dies: Unter der langjährigen Chefin der Spanischen, der legendären Elisabeth Gürtler, übrigens die Inhaberin des legendären Hotels Sacher gegenüber der Oper, sind die massiven Probleme immer größer geworden. Die jetzige Leiterin Sonja Klima, Ex-Frau des ehemaligen Bundeskanzlers Viktor Klima, beteuert gegenüber der Wiener Presse, dass man seit 2019 intensiv an Verbesserungen arbeite.

Doch die Krux ist: In allen Rechnungshöfen, nicht nur dem der Republik Österreich in Wien, gibt es ein Dilemma – mal kleiner, mal größer. Die Kontrolleure rechnen zwar mit spitzem Bleistift, wie man früher sagte, aber leider fehlt es ihnen an der Fachkunde, in diesem konkreten Fall in Sachen Hohe Schule der klassischen Reitkunst, aber auch in Sachen spezieller Pferdezucht einer alten Rasse.

Noch präziser gesagt: Die Prüfer verlangen in der Praxis, dass man in Piber mehr und quasi bombensicher nur solche Hengste züchtet, die den Anforderungen der „Spanischen“ gerecht werden. Das ist, wie jeder weiß, eine Illusion. Übrigens, vor Jahren hat man externe Fachleute nach Wien geladen, um von ihnen zu hören, was sie an der „Spanischen“ bemängeln und was sie vorschlagen, um die Situation zu verbessern. Kritik vom Rechnungshof:

„Die Gespräche wurden gar nicht dokumentiert!“ Offensichtlich hatte man von offizieller Seite keinerlei Interesse an den Geladenen und ihren Idee. Das lässt tief blicken.“

Aus der Kritik der Prüfer lässt sich ein zentrales Problem erkennen, denn sie bemängeln nicht zuletzt das „deutlich gesunkene Niveau der Vorführungen“. Das ist ein Alarmzeichen. Die Lage wird sogar dramatisch, wenn man liest, dass die Prüfer verlangen, die Zahl der Vorführungen in der Hofburg auf 100 pro Jahr zu steigern, damit noch mehr Geld in die Kasse kommt. Doch ihre Erwartung, dass sich die „Spanische“ in Wien, das Gestüt Piber und die Reitschule in Heldenberg finanziell tragen, womöglich sogar noch Gewinn abwerfen, wird sich nicht erfüllen!

Was ich überhaupt nicht verstehe: Sieht man einmal von den Pandemiezeiten ab, die weltweit ernste Probleme gemacht haben und noch immer machen – die Wiener Rechnungsprüfer streifen die Bedeutung der „Spanischen“ für den Tourismus nur mit wenigen Sätzen. Doch Wien ist ein Hotspot, hunderttausende von Gästen kommen wegen der Kultur, zu der für mich auch die „Spanische“ selbstverständlich gehört.

Die Menschen lassen Geld liegen in den Hotels und der Gastronomie, sie Shoppen, was das Zeug hält, sie zahlen Eintritt in die Oper, die Theater und die diversen Museen, natürlich auch für die Fiaker, den Prater und den Heurigen in Grinzing. Die Steuern, die dafür anfallen, fließen in die Kassen der Stadt Wien und auch in die der Republik. Also ist es nicht fair und sachgerecht, den Zuschuss von ein bis zwei Millionen Euro pro Jahr an den Pranger zu stellen. Wieviel ist den Österreichern ihre „Spanische“ wert?

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Selbstverständlich muss die Hofreitschule, die dem Staat gehört, mit den ihr zufließende Steuergeldern korrekt, sparsam und nachvollziehbar umgehen. Da besteht Verbesserungsbedarf.

Wenn ich aber lese, dass man von der Hofreitschule verlangt, Personal abzubauen, um den finanziellen Aufwand zu drücken, dann frage ich mich: Weshalb sucht man – auch bei uns in Deutschland – einen Pferdepfleger für 1700 Euro im Monat? Wer schlau ist und ein bissle kritisch denken kann, der wir um die Hofburg einen weiten Bogen machen – nicht als kulturaffiner Tourist und Pferdefreund, sehr wohl aber als Pferdepfleger!

Was will der Rechnungshof wirklich?

Mein unausweichlicher Nachsatz: Ist die „Spanische“ überhaupt noch zeitgemäß? Hat sie sich überlebt? Zielt die Kritik des Rechnungshofes in Wahrheit darauf ab, die weltberühmte Reitakademie zu schwächen, am Ende dicht zu machen? Oder vielleicht „nur“ auszulagern von Wien nach Piber oder nach Heldenberg? Soviel ist sicher: Die „Spanische“ insgesamt ist nicht kostendeckend zu führen? Das jährliche Defizit bleibt – ob Corona oder nicht.

Also muss die Politik entscheiden: Akzeptiert man das Defizit, zumindest bis zu einer bestimmten Höhe – ja oder nein? Pferdepfleger anzulocken, die sich mit 1700 Euro brutto zufriedengeben – das ist jedenfalls keine Lösung.