Jetzt ist es 12.45 Uhr an diesem letzten Tag der Springreiter-WM. Um 14 Uhr startet das Finale, an dem die 25 punktbesten Pferd/Reiter-Paare teilnehmen könnten – es stehen aber nur 21 Pferde auf der Startliste. Christian Ahlmann hat seinen Dominator zurückgezogen, um den Hengst zu schonen. Einige andere sind seinem Beispiel gefolgt. Das erleben wir bei jeder WM: Wer aussichtslos zurückliegt, keine Chance mehr hat auf eine Medaille, der tendiert zum Ausstieg. Andere sehen durchaus das Preisgeld, gehen davon aus, dass ihre Pferde noch „genügend im Tank“ haben, wie man so sagt.

Fangen wir an mit dem, was mir beim Blick auf die Startliste sofort ins Auge sticht: Kein US-Reiter hat dieses Finale erreicht. Das gab’s noch nie bei den vorangegangenen 19 Weltmeisterschaften. Vor vier Jahren in Tryon stand die US-Equipe auf dem obersten Treppchen, unsere Mannschaft mit der späteren Weltmeisterin Simone Blum holte Bronze. Ihr elfter Rang im WM-Finale am vergangenen späten Freitag bringt den Amerikanern ihnen auch die Qualifikation für Paris 2024 nicht. Letzte Gelegenheit besteht, wenn ich es recht sehe, bei den Pan-Amerkanischen Spielen.

Kein Zweifel, die Europäer dominieren diese WM hier in Dänemark. Nur eine Reiterin aus Übersee hat es ins Finale geschafft: Tiffany Foster aus Kanada mit ihrem zwölfjährigen Niederländer Figor. Es gibt übrigens keine Nation, die drei Aktive stellt, wenngleich dies laut Reglement möglich wäre. Es zeigt, dass die drei Kurse, die der Belgier Louis Konickx gebaut hat, die Pferde viel Kraft gekostet hat. Konickx ist bis an die Grenze des Reglements gegangen. Was er den Finalisten heute vorsetzt, werden wir nachher sehen.

Zum deutschen Team: „Wir haben unser Minimalziel erreicht – die Qualifikation für Paris 2024.“ Diesen Satz hat Otto Becker in den letzten Tagen mehrmals wiederholt. Schaut man genau hin, dann ist das Abschneiden bei dieser WM das schlechteste seit 1986: Keine Medaille, nur ein fünfter Rang, ein Ausfall und ein Rückzieher – immerhin zwei Reiter im Finale.

Jana Wargers und ihr Limbridge starten nachher als siebtes Paar. Die 30-Jährige hat, so sehe ich das jetzt, ihre Nominierung vollauf gerechtfertigt. Ralf „Pawlo“ Pawlowski, der Züchter ihres Holsteiner Wallachs, saß die ganze Zeit auf der Tribüne, um sein einstiges „Zuchtprodukt“ zu verfolgen. „Pawlo“ war sich übrigens sicher, dass Jana das Finale erreichen würde! Er hat so etwas wie den siebten Sinn für die Pferde.

Zu Marcus Ehning, der mit seinem Stargold bereits an fünfter Stelle in den Parcours muss: Er bestreitet hier in Herning seine sechste WM. 2010 in Lexington, wo die Ära von Otto Becker als Bundestrainer mit einem Sieg begann, stand Ehning mit im Team. Diesmal aber vermochte der Stilist aus Borken nicht restlos zu überzeugen: Drei Abwürfe im Laufe der Woche sind zuviel, um am Ende in den Medaillenrängen zu stehen. Schade.

Andre Thieme hat leider nicht geliefert: Bei dem Profi aus Plau am See zeigt sich für meine Begriffe ein Phänomen: Wer erst mit über vierzig Jahren in den internationalen Sport vorstößt, selbst wenn er ein Ausnahmepferd wie Chakaria unter dem Sattel hat, tut sich mitunter schwer, zeigt Nerven wie der 47-Jährige. Sein Sturz vom Pferd am Freitag/Samstag hätte schlimm enden können. Gottlob blieben er und seine Stute unverletzt. Seine Nominierung konnte Thieme in meinen Augen leider nicht rechtfertigen.

Christian Ahlmann ist das, was man einen Ankommer nennt. Er war bereits 2003 in Donaueschingen Europameister, damals mit seinem Schimmel Köster. Mittlerweile steht die Global Champions Tour im Mittelpunkt seiner Planungen. Otto Becker hat ihn nominiert wegen seiner Erfahrung. 9.28 Punkte nach dem Nationenpreis brachten ihn zwar ins Finale, aber Christian hat schondie nächsten Turniere im Auge. Er kann mit dieser WM nicht zufrieden sein.

Der Blick aufs Tableau: Henrik von Eckermann hat nur 0.58 Punkte, vor seinem Landsmann Jens Fredricson mit 2.71 Punkten und dem Belgier Jerome Guery mit 3.35 Punkten. Martin Fuchs folgt mit 4.35 Punkten, danach Max Kühner mit 4.49 Punkten. Vor vier Jahren in Tryon was Max übrigens gganz nah dran – im Finalparcours fiel er dann leider zurück. Wenn es um vorbildliches Reiten über Hindernisse geht, gehört Max Kühner für mich aufs Treppchen. Aber Springreiten ist ja bekanntlich kein Wunschkonzert.