Über dem Fußballstadion von Herning geht die Sonne so langsam unter, die 20. Weltmeisterschaft der Springreiter hat begonnen. 103 Pferde aus 34 Nationen stehen auf der Startliste, 22 Teams reiten um den Titel. Marcus Ehning und sein Stargold mussten einen Abwurf hinnehmen. Jana Wargers und ihr Limbridge blieben fehlerfrei. Andre Thieme riskierte auf seiner Chakaria einen Tick zuviel – ein Abwurf. Christian Ahlmann lenkte seinen Dominator routiniert zu einer Nullrunde. Otto Becker sagte soeben (16.55 Uhr): „Alle vier haben gut geritten. Ein Fehler weniger wäre mir lieber gewesen.“ 

Zur allgemeinen Einstimmung hier die wichtigsten Regeln: Beim Zeitspringen zum Auftakt werden Springfehler in Strafsekunden umgerechnet und der gebrauchten Zeit zugeschlagen. Der oder die Beste von heute startet morgen mit null Strafpunkten in den ersten Umlauf des Nationenpreises. Von da an werden alle gemachten Fehler dem Resultat von heute hinzuaddiert. Wichtig zu wissen: Bei einer WM laufen Einzel- und Teamwertung nebeneinander – jeder trägt mit seinem individuellen Resultat zur Mannschaft bei und hat zugleich sein eigenes Konto. Die zwanzig Einzelreiter punkten natürlich nur auf ihre eigene Rechnung.

Nach dem Nationenpreis, der am späten Freitagabend entschieden wird, kommen nur die punktbesten 25 Einzelreiter ins WM-Finale am Sonntag. In der zweiten, alles entscheidenden Runde dürfen nur noch zwölf Reiter antreten. Den spannenden Pferdewechsel gibt es leider nicht mehr. Ganz besonders wichtig: Die fünf besten Teams aus dem Zeitspringen und dem Nationenpreis qualifizieren sich für die Olympischen Spiele 2024 in Paris. Für die meisten Equipen ist das der sportlich wichtigste Aspekt dieser Weltmeisterschaft.

Marcus Ehning sagte gleich nach seinem Ritt: „Mein Stargold ist eines der besten Pferde, die ich je hatte. Er ist in einer tollen Form, will keinen Fehler machen. Der Hengst ist ein schlaues Pferd, springt nur so hoch wie er unbedingt muss. Der Abwurf kam, weil ich zu spät auf eine längere Distanz umgeschaltet hatte. Ich hoffe, dass meine Teamkameraden es nachher besser machen.“ Bis zur Stunde (13.20 Uhr) war Stargold das einzige Pferd, das unter der Marke von 80 Sekunden geblieben war.

Unter dem Jubel des deutschen Lagers hat die Debütantin Jana Wargers mit ihrem Limbridge eine fehlerfreie Runde in 87,23 Sekunden hingelegt. Ihr Kommentar: „Otto ist zufrieden. Ich hab‘ mir einige Tipps von Markus Ehning geholt. Mein Pferd ist super schnell, ich bin relativ ruhig. Man muss vorwärtsreiten, um vorne dabei zu sein. Es wäre natürlich sehr schön, wenn wir als Team vorne mitmischen könnten.“

Als Andre Thieme auf seiner Chikaria den Parcours in Angriff nimmt, erkennt man sofort seinen Plan: Vorwärts mit Risiko! Das kostet gegen Ende einen Abwurf. Schade. Andre sagt: „Ich darf mir den Fehler nicht zu sehr zu Herzen nehmen. Diesen Fehler macht sie normal nicht. Ich muss klären, woher dieser Fehler kam. Ich vertraue meinem Pferd.“ Immer wieder ging Thiemes Fuchsstute gegen die Hand ihres Reiters, verlor, wie er selbst sagt, zwischendrin den Rhythmus. Jetzt, kurz vor 15 Uhr, setzt er seine Hoffnung auf Christian Ahlmann, den deutschen Schlussreiter, „damit wir heute, nach dem Zeitspringen, vorne mit dabei sind“. Er hätte, so Andre, „heute gerne etwas mehr dazu beigetragen, weil das Zeitspringen ja wirklich wichtig ist.“

Christian Ahlmann und sein Dominator, der gestern im Warm Up etwas gestrauchelt war, spielten ihre Kraft und Ruhe aus. Christian sagte soeben: „Ich hatte ein sehr gutes Gefühl, jeder Sprung war entspannt und konzentriert. Das lange Warten an so einem Tag ist gar nicht so einfach.“

Und noch einmal der Bundestrainer: „Ich hab‘ zu Andre gesagt, dass das sein letzter Fehler in dieser Woche gewesen sei.“ Dazu lächelte er – nicht gar so ernst gemeint, wie es klingt. Und weiter: „Wir sind in Reichweite, das war mir heute wichtig. Jana hat sehr gut geritten, ihr Pferd ging ebenfalls sehr gut. Bei Marcus und Christian sieht man, was die Erfahrung aus so vielen Jahren wert ist.“

Die sportliche Schlussabrechnung dieses Zeitspringens: Der Franzose Julien Eppaillard führt auf Caracole vor Scott Brash aus England auf Hello Jefferson und Martin Fuchs aus der Schweiz auf Leone Jei. Peder Fredericson aus Schweden auf All Inn ist vierter, Henrik von Eckermann und sein King Edward fünfter. Neuner ist Christian Ahlmann mit seinem Dominator, 18. Marcus Ehning mit Stargold, auf 38 folgt Jana Wargers mit Limbridge und auf 58 Andre Thieme mit Chakaria.

Unter den 103 Aktiven, die heute angetreten sind, gibt’s jetzt am Abend, was  die Promis betrifft, einige  lange Gesichter: McLain Ward und sein Contigious liegen auf Rang 29, Harry Smolders mit Monaco nur auf 34. Cian O’Connor und der von David Will ausgebildete C-Vier rangieren auf 47, Pius Schwizer folgt auf 73, Malin Baryard rangiert nur auf Platz 75. Kevin Staut ist gestürzt, wurde disqualifiziert.

Diesen Text aus Herning habe ich über den ganzen Tag wie ein aktuelles Protokoll immer wieder aktualisieren. Die Reihenfolge der Teams noch ohne Gewähr: Schweden vor Frankreich und Belgien, dahinter die Briten, die Schweizer und die deutsche Equipe!

Schönen Abend aus Herning! Die WM-Kür beginnt um 20 Uhr. Darüber schreibe ich einen Extra-Blog!