Zu vorgerückter Stunde, nach dem Ende der Dressur-WM für die Mannschaften, gab’s vor der internationalen Presse im Messezentrum von Herning einen ebenso überraschenden wie denkwürdigen Augenblick: Auf die Frage eines Journalisten an das britische Team, weshalb sie nur zu dritt erschienen seien, und wo denn Gareht Huges sei, ihr vierter Mann, da gab’s zum allgemeinen Erstaunen folgende Antwort: Gareth kommt nicht hieher zur Pressekonferenz – Garet ist an Covid erkrankt! Und Gareth Huges habe heute mit Covid geritten und auch an der Siegerehrung teilgenommen. 

Monica Theodorescu, die Bunddestrainerin, und ihr Co-Trainer Johnny Hilberath lassen es sich grundsätzlich nicht nehmen, nach internationalen Championaten zu den obligaten Pressekonferenzen zu kommen. Sie stehen dabei für Fragen der Journalisten zur Verfügung. Gestern Abend allerdings, so gegen 21.15 Uhr, verschlug es den beiden völlig die Sprache. Eine Sprecherin des britischen Teams hatte vor der internationalen Presse soeben erklärt, man habe die Covid-Erkrankung des eigenen Reiters intern bekannt gemacht. Wie und vor wem wurde nicht näher erläutert. Monika Theodorescu jedenfalls zeigte sich deutlich schockiert, ebenso das deutsche Team, das vollzählig zur Pressekonferenz erschienen war. Betretene Gesichter im Saal.

Tatsache ist: Gareth Huges, 51 Jahre alt, hat mit seiner 16-jährigen Stute Classic Briolinca am Grand Prix teilgenommen, mit 75,978 Punkten das drittbeste Resultat der Briten erzielt und wesentlich zum Gewinn der Silbermedaille hinter den siegreichen Dänen beigetragen. Wäre er wegen seiner Covid-Erkrankung nicht gestartet, wären Richard Davisons 68,851 Prozentpunkte gewertet worden. Unterm Strich hätte das deutsche Team Silber gewonnen und nicht „nur“ Bronze.

Die in der Pressekonferenz gestellte Frage, ob Hughes überhaupt hätte starten dürfen, gab’s von seiten der britischen Mannschaft diese Erklärung: In Dänemark bestehe keine Maskenpflicht mehr, auch keine Pflicht, sich bei Corona in Isolation bzw. Quarantäne zu begeben und/oder den staatlichen Behörden dies zu melden. Also habe das britische Team korrekt gehandelt. Unklar blieb jedoch, wen genau das Team über die Covid-Erkrankung informiert hatte. Monica Theodorescu erklärte gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa), sie sei nicht informiert gewesen und schockiert.

Ob es heute, im Verlauf dieses Montags, an dem der Grand Prix Spezial für die WM in der klassischen Tour ansteht, Weiterungen in diesem Fall geben wird, ist völlig offen. Unklar ist auch, ob es womöglich einen Protest  gegen die Briten geben wird. Ich bin zu später Nachtstunde, kurz vor Mitternacht, ganz sicher, dass sich alle Teams dieser Dressur-WM noch am Abend über den Stand der Dinge informiert und ausgetauscht haben. Ob Proteste gegenüber der FEI geplant sind, ist völlig unklar. Die Lage erscheint kompliziert, wobei auch zu klären wäre, ob Gareth Hughes heute, am Montag, am Grand Prix Spezial für die punktbesten 30 Pferde teilnehmen kann, wofür er sich gestern qualifiziert hat.

Zu klären ist heute, am Montag, welche Folgen die Teilnahme von Gareth Hughes für das britische Team hat. Zu klären ist, ob dieser Fall wesentlich ist für die von der FEI erlassenen Regeln im Falle von Covid 19 bei Turnieren und im internationalen Pferdesport – eine komplizierte Sachlage für die Juristen. Es bleibt jedenfalls höchst spannend in Herning.

Für alle Freunde des Dressursports werde ich an diesem Montag im Laufe des Tages über die Entwicklung weiter informieren und auch die Dressur-WM der Mannschaften analysieren. Das Ergebnis ist wohl weithin bekannt: die Dänen siegen vor den Briten und den Deutschen. Schweden  und die Niederlande belegen die Plätze, die USA erkämpfen sich Platz sechs. Diese sechs Teams haben zugleich das Startrecht für die Olympischen Spiele 2024 in Paris erlangt.

Eine gute Nacht aus Herning!