Sagen wir mal so: Otto Beckers Equipe verlässt morgen diese 20. WM der Springreiter mit dem, was man „ein blaues Auge“ nennt. Ihr Minimalziel, nämlich die Qualifikation für Paris 2024, hat sie erreicht – allerhand Fehler der Konkurrenz auf der Zielgeraden kurz vor Mitternacht zum Samstag haben ihr dabei geholfen. Die Beste aus dem Team ist Jana Wargers mit dem von Ralf Pawlowski in Heidenheim gezogenen Holsteiner Limbridge, sie liegt vor dem Finale auf Rang 17. Der Triumpf von Olympiasieger Schweden, ein Sieg mit nur 7,69 Punkten, ist mehr als nur ein Fingerzeig für die EM 2023 in Mailand und auch für Paris 2024.

Der Katapult aus dem Sattel von Andre Thieme wirkte auf das gesamte deutsche Lager wie ein Schock. Er selbst sagte unter anderem dies: „Die Stute ist so in die Luft gesprungen und hat einen so abnormalen Sprung gemacht, das ich bei der Landung einen unter den Arsch bekommen habe.“ Den konnte der hochgewachsene Thieme nicht aussitzen, stürzte zur Seite aus dem Sattel – Pferd und Reiter blieben unverletzt.

Otto Becker sagt: „Von meiner Position aus konnte ich es gar nicht genau sehen. Vielleicht kam Andre am Sprung ein bisschen zu dicht – die Stute ist sehr vorsichtig, gerade unter Flutlicht. Sie ist so hoch gesprungen und hat ihm einen Kick gegeben, ihn dabei aus dem Gleichgewicht gebracht.“ Positiv bewertete der Bundestrainer den Ritt von Christian Ahlmann auf Dominator trotz eines Abwurfs am Aussprung der dreifachen Kombination: „Christian hat unsere Qualifikation für Paris nach Hause gekämpft.“

Der Blick auf das WM-Resultat und die Fehlerzahlen zeigt, wie klar die Schweden an der Spitze stehen und wie nah, geradezu hauchdünn, die Abstände unter den anderen Teams sind. Hier die Zahlen: die Schweden sind neuer Weltmeister mit nur 7.69 Punkten nach drei Parcours. Jos Lansink, der neue Bondscoach der Niederländer, führt sie bei seinem ersten wichtigen Einsatz zur Silbermedaille mit 19.31 Punkten. Die Briten büßen auf der Zielgeraden ihren zwischenzeitlich zweiten Platz ein, holen aber mit 22.66  Punkten noch Bronze.

Vom Platz vier an werden die Abstände immer enger: Die Iren mit 23.15 Punkten, dahinter als Fünfte die deutsche Equipe mit 24.76 Punkten, gefolgt von den Franzosen mit 26.44 Punkten. Mit hauchdünnen 26.49 Punkten folgen die Belgier als Siebte, dahinter mit 26.83 Punkten die Schweizer. Brasilien folgt auf Rang neun mit 32.29, die Kanadier auf Rang zehn mit 43.56 Punkten.

Interessant noch einmal die so wichtige Qualifikation für Paris 2024: Nicht geschafft haben es Belgier, Schweizer, Brasilianer, Kanadier und auch die Amerikaner. Aber noch ist für diese Teams wie für alle anderen, etwa Spanier und Italiener, nicht alles verloren. Beim Finale um den Nationscup im Herbst in Barcelona gibt’s die Chance, dass sich eine weitere Equipe qualifiziert. Drei mögliche Startplätze für die noch nicht Qualifizierten bietet die Europameisterschaft 2023 in Mailand. Und beim Nationscupfinale 2023, wiederum in Barcelona, winkt die allerletzte Fahrkarte für ein Team. Wie viele Einzelreiter es nach Paris schaffen, ist noch völlig offen. Max Kühner zum Beispiel, der für Österreich reitende tolle Stilist,  dürfte 2024 unter den Parisreitern sein.

Noch ist nicht restlos geklärt, wer morgen das Finale der 25 punktbesten Reiter bestreitet. Der Grund: Vor diesem Start haben die WM-Regeln einen weiteren Vet-Check gesetzt. Insgesamt müssen nicht nur die 25 bisher Besten dort vorgeführt werden, sondern die besten 30 Pferde – falls es Ausfälle und damit Nachrücker gibt. Es bleibt also weiterhin spannend. Mein Tipp für den Titel: Henrik von Eckermann!  Hoffen wir aus deutscher Sicht, dass Jana Wargers, Christian Ahlmann und MarcusEhning für einen versöhnlichen Abschluss sorgen können.