Sein Leben war wie eine Parabel auf die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Aus kleinen Verhältnissen stammend, im Zweiten Weltkrieg Soldat und Kriegsgefangener, in den fünfziger Jahren der sportliche Aufstieg zum Volkshelden unter dem Motto „Wir sind wieder wer“. 1954 und 1955 Weltmeister der Springreiter, später Sportler des Jahrzehnt. Sechs olympische Spiele, jeweils mit Medaillen heimgekehrt. Als „HGW“ am 9. Juli 2018 in Warendorf starb, war er längst eine Legende des Sports, gleich hinter  Uwe Seeler oder Fritz Walter.

1953 gab’s in Paris die allererste Weltmeisterschaft der Springreiter. Noch ohne HGW. Der Spanier Francisco Goyoaga siegte – ein Mann, von dem man sagte, er kenne nur zwei Gangarten: Schritt und Galopp! Das Leichttraben auf dem richtigen Hinterbein schaffe er nicht. Der populäre Fritz Thiedemann, ein holsteiner Urgestein, wurde auf Diamant Zweiter, dahinter der französische Landedelmann Pierre d’Oriola auf Ali Baba und der Italienische Offizier Piero d’Inzeo auf Uruguay. Den später eingeführten Rhythmus, die WM nur alle vier Jahre, gab’s damals noch nicht.

Für 1954 wurde die WM nach Spanien vergeben, in das Land des Weltmeisters von 1953. Der junge Hans Winkler, vom legendären Gustav Rau nach Warendorf geholt, reitet eine Halbblutstute aus ungeklärter  Herkunft – ein modernes, gleichwohl hoch sensibles  Sportpferd, seiner Zeit weit voraus. Ihr Name ist Halla. Der damals 28-jährige Winkler siegt in Madrid, verweist d’Oriola und Goyoaga auf die Plätze. Die Felder waren damals kaum zwei Hände voll. Eine Mannschaftswertung wurde erst später eingeführt.

Für 1955 geht die WM selbstverständlich nach Aachen, das Land des Titlverteidigers. HGW zitiert dazu in seinem Buch „Meine Pferde und ich“ seinen Freund Goyoaga: „Du wirst deine Weltmeisterschaft im eigenen Land kaum verteidigen können, Hans Günter. Glaube mir. Kannst du dir vorstellen, was es heißt, der Favorit und Liebling des Publikums zu sein? Zehntausende hängen ihr Herz an dich, wenn du reitest. Für diese Menschen ist es jedesmal eine Katastrophe, wenn du ein Hindernis abwirfst. Du spürst das, es beklemmt dir den Atem. So jedenfalls ist es mir voriges Jahr in Madrid ergangen. Bei dir wird es jetzt nicht anders sein.“ Goyoaga gab HGW den Rat, in der Nacht vor den WM-Springen nicht ins Bett zu gehen, sondern durch die Stadt zu bummeln – ermüdet werde er sich keine so großen Gedanken machen.

Der schon immer sehr selbstbewusste Winkler stieg jedenfalls ziemlich ausgeschlafen in den Sattel seinen Dunkelbraunen Orient – der WM-Sieg vor heimischer Kulisse war ihm nicht zu nehmen. Raimondo d’Inzeo auf Merano, der Brite Ronnie Dallas auf Bones und d’Oriola auf Voulette mussten sich mit den Plätzen zufrieden geben. Winklers erfolgreiche Titelverteidigung führte dazu, dass man sich 1956 wieder in der Soers zur WM traf – allerdings ohne HGW.

Wir erinnern uns: Kurz zuvor hatten Winkler und seine Halla in Stockholm Einzelgold geholt bei den  olympischen Reiterspielen. HGW ritt dort seine Halla trotz eines schmerzhaften Leistenbruchs im ersten Umlauf. Sein Siegesritt machte ihn zur Legende. In Aachen allerdings musste er bei der WM zuschauen, auf Krücken gestützt. Die beiden Weltmeistertitel von 1954 und 1955 legten den Grundstock für seine  Weltkarriere. Alle seine Pferde waren dressurlich grundsolide ausgebildet, gingen locker-lässig Zweier-Galoppwechsel auf kerzengerader Linie. HGW, das wissen viele nicht mehr, kam von der Vielseitigkeit her, hatte auch Flachrennen bestritten.

Wenn ich in Warendorf bin, gehe ich zu seinem Grab auf dem Stadtfriedhof. Innehalten für einen Augenblick.

Wir sehen uns in Herning.