Die Spannung steigt. Um 11 Uhr Sommerzeit an diesem Samstag eröffnet der junge Schweizer Gilles Ngovan mit Zigzag (von Blue Hors Zack/Blue Hors Don Schufro die 15. Weltmeisterschaft der Dressurreiter. Auf der Startliste stehen rekordverdächtige 93 Aktive aus 34 Nationen; 19 Teams treten an, dazu zwanzig Einzelreiter. Zehnmal haben deutsche Damen und Herren die 1966 begründete Team-WM gewonnen, dazu zehn Einzeltitel. Diesmal ist die Ausgangslage bekanntlich etwas anders: die Dänen sind favorisiert – besser gesagt, sie werden favorisiert. Womöglich geht’s dabei darum, die Gastgeber vor heimischem Publikum so stark unter Druck zu setzen, wie’s nur möglich.
Kleine Preisfrage: Wer glaubt wirklich, dass es Fans des großen Dressursports gibt, die sich heute und morgen das volle Programm geben? Kurz dazu die Fakten: Heute wird von 11 Uhr an bis 20 Uhr geritten. Und morgen nochmal von 11 Uhr an bis 20 Uhr! Noch Fragen? Naturgemäß starten die Favoriten auf Titel und Medaillen stets am Ende. Apropos Ende. Morgen Abend werden es also summa summarum 18 Stunden Dressur gewesen sein. Da brummt einem der Schädel und das Sitzfleisch wird unbequem.
Die sieben Kampfrichter tun mir leid. Ich bin gespannt, wie die sich schlagen. Einfach der Wahnsinn! Kritik an der Jury ist programmiert. Am Ende werden sich alle kritisch fragen, ob es wirklich hilfreich ist, eine Dressur-WM mit 93 Reiter*innen zu veranstalten. Gemach, gemach wird jetzt manch einer sagen: Ist doch toll, wenn so viele Leute große Dressur reiten wollen.
Das Argument stimmt. Allerdings frage ich mich schon, ob die sieben Juroren bei 93 Pferden wirklich ein einigermaßen überzeugendes Urteil fällen können. Wichtig zu wissen: Der Andrang zur WM ist vor allem deshalb so stark, weil man sich Startplätze für die kommenden Spiele von Paris 2024 sichern kann. Die besten fünf Mannschaften sind durch, dazu gibt‘ eine höchst komplizierte Punkterechnung für die Einzelreiter. (Ich hab‘ die selbst noch nicht so recht kapiert.)
Eines ist allerdings jetzt schon sicher: Es wird spannend werden! Das ist gut für den Sport, der in den letzten Wochen ja wieder einige Schrammen abbekommen hat. Einige Fragen: Welche Qualität hat der neunjährige Imhotep, ein Wallach von Everdale/Vivaldi aus der niederländischen Zucht? Im Sattel sitzt Charlotte Dujardin, Star der britischen Dressurreiterei. Schafft sie es, wie mancher vermutet, tatsächlich ganz nach vorne, womöglich aufs Treppchen? Charlotte startet morgen um 13.35 Uhr.
Beim Blick auf das Starterfeld zeigt sich, dass diese WM so offen ist wie vielleicht noch keine WM zuvor. Gibt’s den Zweikampf zwischen Dänemark und Deutschland? Oder überraschen uns die Schweden, Briten, Amerikaner? Der Kampf um Bronze kann dramatisch werden. Gibt’s wieder Opfer der „Blood Rule“? Hoffentlich nicht. Aber bei 93 Pferden nicht auszuschließen. Ich halte es da aus Erfahrung mit der alten Fußballerweisheit: Entscheidend is aufm Platz!