Ob Gerrit Nieberg und seine Freundin Johanna mittlerweile heiter und vergnügt auf der griechischen Insel Kos angekommen sind, um dort Ferien zu machen – ich nehme es an und wünsche den beiden einen „Happy summer!“ Hier zuhause dreht sich die sportive Personalpolitik weiter in Richtung Weltmeisterschaft. Vom 4. bis 14. August trifft sich die ganze hippologische Welt in Herning. Otto Beckers Longlist besteht aus neun Namen – fünf werden nur benötigt.

Noch kurz vor seinem Abflug von Düsseldorf aus hat Gerrit Nieberg, der strahlende Sieger des Großen Preises von Aachen, sein neues Saisonziel klar formuliert: „Die WM in Herning!“ Dem Springausschuss unter dem Vorsitz des Mannheimers Peter Hofmann war gar nichts anderes übrig geblieben, als den 29-Jährigen mit auf die Longlist zu setzen. Hofmanns Begründung wiederhole ich hier gerne: „Gerrit hat die ganze Woche über gezeigt, dass er einen Plan hat. Auch im Großen Preis. Für die WM brauchen wir Leute, die einen Plan haben.“

Die Longlist sieht so aus: Christian Ahlmann mit Dominator, Daniel Deusser mit Killer Queen, Katrin Eckermann mit Cala Mandia, Marcus Ehning mit Stargold, Christian Kukuk mit Mumbai, Janne Friederike Meyer-Zimmermann mit Messi, Gerrit Nieberg mit Ben, Mario Stevens mit Starissa und Andre Thieme mit Chakaria. Neun Paare also – benötigt werden fünf, vier fürs Team plus eine Reserve.

Otto Becker lässt sich nicht in die Karten schauen, also versuch‘ ich’s mal mit ein paar Spekulationen: Der schöne Sieg im Nationenpreis von Aachen hat den Bundestrainer unter Zugzwang gesetzt, der Triumpf von Gerrit Nieberg hat das noch verstärkt. Christian Ahlmann und Daniel Deusser waren offenkundig nicht begeistert, dass er sie für den Preis der Nationen nicht berücksichtigt hat. Wer Otto kennt, der weiß: Von Serien wie der Longines-Global-Tour, dem Rolex-Grand-Slam oder auch dem Longines-Weltcup ist er nicht sonderlich begeistert – er möchte die Nations-Cup-Serie und vor allem die jährlichen Championate mit einer möglichst starke Equipe bestreiten.

Stellt man diese Sicht in den Mittelpunkt, dann verwundert es nicht, dass Ahlmann und Deusser nicht im Aufgebot für den Nationenpreis standen. Christian Ahlmann hat immer wieder betont, dass die Global Tour sein Schwerpunkt ist, Daniel Deusser wollte in der Soers unbedingt die Chance wahrnehmen, den Grand Slam zu gewinnen, sich neben dem Sieg einen Bonus über 500 000 Euro zu sichern. Als der am Ende nur Vierter war, antwortete er auf die Frage, wie er sich jetzt fühle, mit einem Lächeln: „Wie fühlt man sich, wenn man gerade die Chance verpasst hat, 850 000 Euro mehr zu gewinnen?“Sein Preisgeld 150 000 Euro.

Dabei ist mir ein Aspekt wichtig: Daniel Deusser ist ein Angestellter der Stephex Stables von Stephan Conter in Belgien. Dass dieser Unternehmer eigene Interessen verfolgt, ist völlig legitim. Wir können froh sein, dass Conter seinem Spitzenjockey die Starts für Deutschland gestattet. Der zweite Angestellte auf der Longlist ist Christian Kukuk aus dem Stall von Ludger -Beerbaum. Dort gilt das gleiche. Auch Katrin Eckermann trägt den Status einer Angestellten. Alle anderen auf der Longlist sind Selbständige, die über ihre Pferde und ihre Einsätze selbst entscheiden. Übrigens, Jana Wargers fehlt auf der Longlist, steht aber im ebenfalls neu formierten Olympiakader.

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ich wage also mal, mein Quintett für Herning zu nennen,  wohlgemerkt, aus heutiger Sicht: Daniel Deusser, Gerrit Nieberg, Andre Thieme, Marcus Ehning und Christian Ahlmann. Wer die Reserverolle spielt, bleibt offen. Ob etwa Christian Ahlmann bereit wäre, nur als Reservist zur WM zu fahren, wage ich zu bezweifeln. Bis zum 25. Juli müssen wir uns gedulden, dann ist offizieller Nennungsschluss für die WM 2022. Die Spannung steigt.