Auf die ewige Journalistenfrage, wer ist ihr persönlicher Favorit, denkt Christian Ahlmann nur wenige Sekunden nach, dann sagt er mit höchstem Respekt in der Stimme: „Henrik von Eckermann! Der hat einen Lauf, das ist unglaublich!“ Ahlmann muss es ja wissen – auf der Gobal Champions Tour treffen die beiden gefühlt einmal im Monat aufeinander. Henrik Eckermann ist, wie berichtet, die neue Nummer eins der Weltrangliste. Bundestrainer Otto Becker denkt lieber an seine eigene Truppe: „Unser Ziel ist eine Medaille, auf jeden Fall aber die Qualifikation für die Spiele 2024 in Paris.“ 

Als Freund der hippologischen Geschichte weise ich hier und heute zunächst einmal auf die Ausgangslage hin: Die Springreiter-WM wurde 1953 begründet, hier im dänischen Herning erleben wir die 20. Weltmeisterschaft. Drei Teamsiege haben deutsche Springreiter erkämpft: 1994 in Den Haag, 1998 in Rom sowie 2010 in Lexington/Kentucky. Otto sagt: „Diesmal war die Nominierung für uns besonders schwer, denn wir haben praktisch zwei Equipen, von denen jeder in Frage gekommen wäre, aber wir haben nur vier Startplätze plus eine Reserve.“

Auf die näheren Kriterien für seine Nominierung geht der Bundestrainer verständlicherweise öffentlich nicht ein. Aus der Szene aber hört man dieser Tage zumindest soviel: Daniel Deussers Killer Queen besitzt gegenwärtig wohl keine WM-Form. Bei Gerrit Niebergs Aachensieger Ben ist die Frage offen, ob er nach Kräften imstande wäre, ein Championat über mehrere Tage mit im besten Falle insgesamt fünf Runden zu absolvieren. Gerrit und Ben gehört gewiss die Zukunft, die nächste Springreiter-EM findet 2023 in Mailand statt.

Wenden wir den Blick auf die Nominierten, die sich gestern erstmals in Herning der Presse stellten: Da ist Andre Thieme, den Otto Becker persönlich schätzt – er hat ihn vor Jahresfrist bei der EM in Risenbeck zum Titel geführt. Thieme gibt Otto das Vertrauen durch Leistung zurück. Das gilt auch für Jana Wargers, die in Aachen im Nationenpreis glänzte, zuvor bereits in Rom, wo sie Nullrunden im Nationenpreis drehte und mit ihrem Limbrigde Zweite war im Großen Preis. Schaut man ganz genau hin, so erkennt man über die Jahre, dass Otto Becker im Vorfeld der Championate den Preis der Nationen in der Soers zum Maßstab macht – wer dort besteht, der kommt auch anderswo gut zurecht.

Sodann baut Otto Becker auf die Erfahrung von Marcus Ehning und auf die Erfahrung von Christian Ahlmann. Marcus war 2000 in Sydney Mannschafts-Olympiasieger, Christian 2003 in Donaueschingen Europameister – lang ist beides her.  Zweimal zwei – so könnte man locker-lässig sagen: Zwei WM-Debütanten und zwei Routiniers, die alles schon einmal erlebt haben. Janne Frederike Meyer-Zimmermann hat ihre Reservistenrolle klaglos angenommen – das verdient höchsten Respekt.

Noch etwas zur Ausgangslage: Nur die ersten sechs(!) Equipen der Team-WM qualifizieren sich direkt für die Olympischen Spiele. Morgen geht’s los mit dem Zeitspringen: Das zählt bei einer WM gemeinsam mit dem Nationenpreis für das Endergebnis! Auch die WM der Einzelreiter startet mit dem Zeitspringen. Darauf muss man achten, sonst verliert man die Spur. Heute ist zwar offiziell Ruhetag, aber in zehn Minuten startet das sogenannte WarmUp im Stadion. Jede Nation hat für ihre vier Reiter nur acht Minuten Zeit. Na, dann.