Am heutigen Sonntag um 14.30 Uhr schlägt die Stunde der Wahrheit. Die punktbesten 25 Reiterinnen und Reiter dieser 15. WM in der Vielseitigkeit treten zum Finalspringen an. Michael Jung, der Weltmeister von 2010, startet als letzter – er kann sich einen Abwurf erlauben, um seinen zweiten Titel zu holen. Wir drücken die Daumen! Der WM-Titel ist auch für das führende deutsche Team möglich, allerdings sind die Abstände zu den Briten und den USA denkbar knapp. Dieses Finale wird mal wieder nix für schwache Nerven.

Nach dem Abgehen der 5600 Meter langen Geländestrecke, Richtzeit 9.50 Minuten, profilierte sich Michael Jung mal wieder als erfahrener Prophet: „Ich denke, es werden zehn bis fünfzehn Pferde innerhalb der erlaubten Zeit ins Ziel kommen.“ Die um ihn stehenden Medienleute blickten ungläubig drein, sie meinten Wohl, der einzige, der das Zeitlimit schaffen werde, stehe gerade vor ihnen.

Am Ende des langen Geländetages, der von 10.30 bis 17 Uhr dauerte, zeigte sich die überragende Erfahrung des Führenden: elf Pferde liefen fehlerfrei über die Runde, starten heute von 14.30 Uhr an mit ihrem Dressurergebnis in den Schlussparcours. Den hat übrigens der berühmte Ulliano Vezzani entworfen, normalerweise baut er die ganz großen Kurse im Weltcup und auf den Topturnieren. In Deutschland kennt man ihn unter anderem aus der Schleyerhalle in Stuttgart.

Von den 89 am Donnerstag und Freitag gestarteten Pferden sind noch 68 im Wettkampf. Beim Vet-Ceck heute am Vormittag mussten vier aus dem Rennen genommen werden. Nach dem Gelände waren noch 72 Pferde in der Wertung. Im Kurs gaben drei Reiter auf, 13 Pferde wurden disqualifiziert. Der erfahrene Franzose Nicolas Touziant stürzte, was zunächst kritisch aussah – wenig später gab’s gottlob Entwarnung.

Der geniale britische Coach Chris Bartle, als Co-Trainer von Hans Melzer lange Jahre mitverantwortlich für die Erfolge unserer Buschreiter, beging offenkundig einen taktischen Fehler: Die junge Yasmin Ingham und ihr Banzai du Loire, im Fünf-Sterne-Event von Lexington im Frühjahr an zweiter Stelle hinter Michael Jung und Chipmunk, wurde von Chris Bartle nur als Einzelreiterin eingesetzt – jetzt liegt sie mit nur 23,2 Punkten auf Rang zwei hinter Michael Jung, der sein Dressurergebnis von 18,8 Punkten mit ins Finalspringen nimmt.

Die hoch eingeschätzte Laura Colett hingegen schaffte mit 19,3 Punkten das zweitbeste Dressurergebnis – am unteren Ende des gefürchteten Steilhanges passierte ihr binnen Bruchteilen von Sekunden ein Vorbeiläufer an einer schmalen Bürste, Zeitfehler kamen hinzu. Mit 58,1 Punkten belegt sie vor dem Springen nur Rang 47. Tauschte man, rein theoretisch, Ingham gegen Colette, dann lägen die Briten mit gutem Vorsprung an der Spitze. Tja, so ist der Sport.

Zum guten Schluss an diesem spannenden Sonntag gebe ich die Antwort auf die häufig gestellte Frage, wie schaut’s eigentlich aus mit dem Preisgeld bei dieser WM in Pratoni. Ganz einfach: Die Teamwertung ist mit 125 000 Euro dotiert, davon gehen 41 500 Euro an die Sieger, 30 000 Euro an die Zweitplatzierten und 20 000 Euro an die Drittplatzierten. Der Rest ist nicht mehr der Rede wert.

Die Einzelkonkurrenz ist mit 147 000 Euro dotiert: 49 000 Euro bekommt der Sieger oder die Siegerin, für Platz zwei gibt’s 26 000 Euro, für Rang drei 20 000 Euro. Danach wird’s dann deutlich weniger. Gleichwohl: In wirtschaftlich so schwierigen Zeiten wie jetzt muss man den Italienern dankbar sein, dass sie diese 15 WM für die Buschreiter ausgerichtet haben. Verständlicherweise fuhren sie, was den Aufwand für die Geländestrecke angeht, einen Sparkurs: Alle Hindernisse waren aus Holz, ähnelten sich sehr. Dass Guiseppe de la Chiesa einen Kringelkurs gebaut hatte und der Boden nicht optimal war, steht auf einem anderen Blatt.

Nochmal der Tipp: www.rechenstelle.de und der Livestream auf www.sportschau.de