Von dem legendären Fernsehreporter Hans Heinrich Isenbart stammt der geflügelte Satz: „Das erste und das letzte Hindernis eines Parcours sollten abgeschafft werden!“ Durch seinen Abwurf mit FischerChipmunk am letzten Sprung vergab der Weltmeister von 2010 die Riesenchance, aus eigener Kraft seinen zweiten WM-Titel zu gewinnen. Drei Damen profitierten davon: Die britische Einzelreiterin Jasmin Ingham holte auf Banzai den Titel, Julia Krajewski und ihre Mandy holten WM-Silber, Bronze geht an den Neuseeländer Tim Price auf Falco. Das deutsche Team gewinnt zum Trost den WM-Titel – zum zweiten Male nach 2006 in Aachen und 2014 in Caen.
Es war das erwartet spannende, ja dramatische Finale dieser 15. Weltmeisterschaft im gut besuchten Naturstadion von Pratoni del Vivaro. Den selektiven Parcours des Italieners Uliano Vezzani meisterten von den 68 Pferden nur zwölf ohne Fehler! Darunter Christoph Wahler und sein Carjatan, die am Ende den für sie guten Rang 22 belegten – einen Platz vor Sandra Auffarth, die mit ihrem Viamant du Matz sogar drei(!) Abwürfe hinnehmen musste. Eine Enttäuschung. Einzelreiterin und Debütantin Alina Dibowski mit Barbados hatte 16,8 Strafpunkte im Parcours, belegte am Ende den für sie ordentlichen Rang 45.
Das starke Abschneiden der deutschen Equipe sicherte heute in erster Linie Julia Krajewski, die Olympiasiegerin von Tokio mit ihrer Mandy. Die französische Stute, im Grunde genommen ein starkes Springpferd, galoppierte sicher über den Kurs, kam mit ihrem Dressurergebnis ins Ziel. Hätte sie der kanadische Dressurrichter Peter Gray nicht so stark gedrückt – der Titel wäre möglich gewesen. Krajewski aber ließ sich nichts anmerken, strahlte vielmehr darüber, dass ihre Taktik aus dem Olympiajahr 2021 auch 2022 wieder aufgegangen ist: „Mit leichten Prüfungen anfangen, die Anforderung steigern und beim Höhepunkt der Saison in Topform sein.“
Peter Thomsen, der neue Bundestrainer, darf sich bestätigt sehen: Julia Krajewski, Michael Jung, Sandra Auffarth und Christoph Wahler sind neue Weltmeister, haben die Qualifikation für die Spiele von Paris 2024 klar gemacht. Ein schöner Erfolg für ihn. Kompliment! Wichtig zu wissen: Diese Qualifikation gilt nicht für das heute siegreiche Quartett, sondern „nur“ für die Nation. Weiter qualifiziert sind die USA, Neuseeland, Großbritannien, Irland, Schweden und die Schweiz. (Es qualifizieren sich nicht nur fünf Teams, wie Carsten Sostmeier in seiner TV-Reportage erklärt hat, sondern sieben.)
Christ Bartle, der wunderbare Erfolgstrainer der Briten, muss an diesem Abend hin- und hergerissen sein: Nach Rosalind Canter, die 2018 in Tryon den Titel holte, weil Ingrid Klimke auf Hale Bob im Parocour patzte und nur Bronze gewann, siegte heute seine Einzelreiterin Jasmin Ingham – wieder hat ein deutscher Reiter einer Britin den Titel geschenkt: Michael Jung, der Topfavorit, muss nach zwei Abwürfen mit Rang fünf zufrieden sein – was er ganz gewiss nicht ist. Leider ist es so, dass sein Chipmunk sich in den Schlussparcours immer mal wieder Abwürfe leistet. Das von Chris Bartle geführte britische Team war leider zugleich ein Verlierer dieses WM-Finales: Mit 100,9 zu 100,7 Punkten gegenüber den Neuseeländern.
Zur Stunde (16 Uhr) gibt’s aus dem deutschen Lager noch keine Stimmen, die internationale Pressekonferenz ist erst für 17 Uhr anberaumt. Wer die genauen Resultate nachschauen will, dem sei www.rechenstelle.de empfohlen.