Kurt Jarasinski wäre heute 82 Jahre alt. Und es wäre höchst aufschlussreich, könnten wir jetzt mit ihm über die olympischen Reiterspiele in Tokio 1964 sprechen. Denn der damals 26-Jährige gewann seinerzeit Teamgold, gemeinsam mit HG Winkler und Hermann Schridde. Leider können wir Kurt Jarasinski nicht mehr befragen, denn er ist am 27. Oktober 2005 in Langerwehe gestorben.

Es war das Ende eines reiterlich hoch erfolgreichen, persönlich jedoch tragischen Lebens. Vom Glanz des Olympiasieges stürzte er in die Abhängigkeit vom Alkohol, landete gar auf der Straße und unter den Brücken, fand mehrfach Hilfe bei Reiterfreunden, blieb aber letztlich ein Opfer seiner Krankheit.

Kurt Jarasinski war im November 1938 im holsteinischen Dorf Elpersbüttel bei Meldorf geboren. Der Vater blieb im Krieg verschollen, die Mutter musste ihre fünf Kinder allein durchbringen. Kurt arbeitete als Gehilfe in der Landwirtschaft, wurde Pferdepfleger bei Konrad Sieg in Heide, gewann 1954 sein erstes A-Springen. Sein Chef erkannte Kurts reiterliches Geschick, ließ ihn die Handelspferde vorreiten – aber soliden Reitunterricht bekam er nicht. Jarasinski galt bald als „wilder Reiter“, seinen Springstil nannten Freunde und Konkurrenten gerne „Mau-Mau“.

Doch Kurt behauptete sich im Parcours, besaß Nerven wie Drahtseile. 1960 gewann er auf Raffaela zum ersten Male das Springderby in Hamburg. Als Fritz Thiedemann 1961 seine Karriere beendete, wurde Kurt Jarasinski sein Nachfolger in den Diensten der Reit- und Fahrschule Elmshorn.

1964, im Vorfeld der olympischen Spiele, mussten die Bundesrepublik und die DDR wieder eine gesamtdeutsche Mannschaft aufstellen, dazu gab‘ die sogenannte Ost-West-Ausscheidung; für die Springreiter im Ludwig-Jahn-Stadion von Ludwigsburg, unweit von Stuttgart. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit sollten Springreiter von diesseits und jenseits der Mauer antreten, auch Kurt Jarasinski. Doch als der morgens vom Hotel zu Fuß zum Stadion ging, wurde er von einem US-Soldaten angefahren und im Gesicht verletzt.

Kurt und sein neunjähriger klobiger Holsteiner Torro konnten nicht antreten, wurden jedoch später als Reservereiter für Tokio nominiert. Ort angekommen, fiel Alwin Schockemöhles Freiherr aus – Jarasinski trat mit Torro an, Hermann Schridde ritt sein Ersatzpferd Dozent, HG Winkler sein Ersatzpferd Fidelitas. Alte Fotos zeigen Kurt Jarasinski im olympischen Parcours ohne Reitkappe – im Eifer des Gefechts hatte er sie verloren (wie so oft).

Am Ende gab’s die Goldmedaille mit 68,5 Strafpunkten, Franzosen und Italiener folgten mit 77,75 und 88,50 Strafpunkten. Schridde gewann mit 13,75 Punkten das Einzelsilber, Jarasinski wurde auf Torro Achter (22,25 Punkte), HG Winkler auf Fidelitas belegte Rang 16 mit 32,50 Punkten.

Übrigens, der vor Jahren hierzulande aktive Dressurreiter Hiroshi Hoketsu belegte 1964 im Springen den 40. Und damit letzten Platz auf Raro (111,75 Punkte). Auf dem Ergebniszettel finden wir Namen wie Kevin Bacon, Nelson Pessoa, Frank Chapot, die Gebrüder d’Inzeo, David Broome, Janou Lefebvre und Hugo Arrambide.

Wer mehr wissen möchte über Kurt Jarasinski und die jungen deutschen Springreiter seiner Zeit, dem sei Werner Schockemöhles Buch „Reiter, Pferde und Parcours“ aus dem Jahr 1962 empfohlen. Über www.ZVAB.com gibt’s noch einige Exemplare.