Deutschlands erfolgreichster Springreiter veranstaltet in dieser Woche die Europameisterschaft. Seine Firmengruppe rund ums Pferd hat er an einen Milliardenfond verkauft.

Für Ludger Beerbaum müsste der Tag 48 Stunden haben, mindestens. Gerade in dieser Woche hat sich der Rekord-Internationale mit 133 „Länderspielen zu Pferd“, sprich Einsätze für Deutschland, eine Herkulesarbeit aufgeladen: Die Springreiter-EM auf seinem Reiterzentrum „Riesenbeck International“, unweit von Münster in Westfalen. Beerbaum sagt: „Für mich und mein Team ist diese EM die größte Herausforderung, seitdem wir vor sechs Jahren eröffnet haben. Wir hatten weit weniger als ein Jahr Zeit, das Championat vorzubereiten.

Normalerweise bekommen die Ausrichter drei Jahre, um so etwas zu planen.“ Weil aber der Reiterweltverband wegen der Spiele in Tokio zunächst gar keine Springreiter-EM zulassen wollte, hätten sich die Aktiven auf die Hinterbeine gestellt – und sich durchgesetzt! Was der 58-Jährige bescheiden verschweigt: Ihm persönlich haben es die Reiter zu verdanken, dass diese EM überhaupt stattfindet.

Für Ludger Beerbaum ging es 2021 allerdings um weitaus mehr als „nur“ um sein bisher größtes Turnier vor der eigenen Haustür. Mitte der Achtziger brach er sein BWL-Studium spontan ab, um Profireiter zu werden und eine Weltkarriere im Sattel zu starten – in den vergangenen zehn Jahren hat er sich als Unternehmer ein Imperium rund um die Pferde aufgebaut.

Die wichtigsten Einzelteile: Der frühere „Leitwolf“ der Springreiter unterhält einen weltweit erfolgreichen Turnier- und Handelsstall, die „Ludger Beerbaum Stables“, für den unter anderen Philipp Weishaupt und Christian Kukuk reiten. Dazu kommt eine renommierte Hengststation mit 16 Vererbern, darunter seine früheren Topstars Chaman, Colestus und Coupe de Coeur.

Hinter dem Begriff „Riesenbeck International“ verbirgt sich eine hochmoderne Reitanlage mit Hallen und Freiplätzen, mit nagelneuen Ställen für 300 Pferde, mit Hotel und Tagungsräumen, wo der Chef und sein Team häufig Lehrgänge geben für ihre Schüler aus aller Welt. Außerdem finden häufig Trainingstage für Gäste sowie übers Jahr diverse Turniere statt: konkrete Pläne existieren bereits bis 2030. Unter dem Stichwort „Longines Academy“ treffen sich in Riesenbeck hippologische Fachleute zum Meinungsaustausch und zur Fortbildung.

Dazu prägte Beerbaum selbst den in der Reiterszene fast schon geflügelten Satz:

„Der Hufschmied ist für das Wohl unserer Pferde oft wichtiger als der Tierarzt!“

Apropos Tierwohl. Unter dem Markennamen „Ludgers P.“ lässt der Multiunternehmer hochwertiges Pferdefutter herstellen und vermarkten. Bliebe noch anzumerken, dass er vor Jahren in Peking eine Gesellschaft gegründet hat, die im „Vogelnest“, dem Olympiastadion von 2008, ein internationales Turnier ausrichtet und reitbegeisterte Chinesen aus der Oberschicht mit Pferden aus Deutschland versorgt. Er selbst mag noch nicht aus dem Sattel steigen: „Es macht mir immer noch großen Spaß, junge Pferde auszubilden und auf den Turnieren vorzustellen.“ Zuletzt am vergangenen Samstag auf dem legendären Derby-Platz in Hamburg, wo er ein sogenanntes Youngster-Springen gewann – Siegprämie 375 Euro.

Ludger Beerbaum – sein Name ist längst ein Markenzeichen und ein Gütesiegel. Anfang des Jahres glückte ihm ein vielbeachteter Coup. Unter dem neu kreierten Namen „Global Equestrian Group“ hat der Altmeister seine Firmengruppe an die niederländische Private-Equity-Investment-Gruppe Waterland verkauft. Das gleiche machte der dänische Olympiareiter Andreas Helgstand, der weltweit mit Dressurpferden handelt. Beide erhoffen sich die vielzitierten Synergien. Beerbaum sagt:

„Ich sehe in dieser Zusammenarbeit die große Chance, meine Pläne mit starker Unterstützung voranzutreiben. Ich gebe mein Unternehmen ab, bleibe jedoch als Geschäftsführer an Bord! Damit wird mein Lebenswerk geordnet und sicher weitergeführt.“

Über den Kaufpreis ist Stillschweigen vereinbart – dass es um dabei um allerhand Millionen geht, darf man unterstellen.

Zum positiven Abschluss dieser von Corona geprägten Reitsaison fehlt Ludger Beerbaum nur noch eines: „Ich hoffe auf eine schöne EM in guter Atmosphäre!“ Und unausgesprochen wünscht sich der Chef, dass seine beiden Jungprofis Christian Kukuk für Deutschland und Eoin McMahon für Irland bei ihrer Heim-EM gut abschneiden. Nach dem glücklosen Auftritt der deutschen Equipe in Tokio wäre dies für alle Beteiligten ein versöhnlicher Abschluss 2021.

Info-Kasten zur Springreiter-EM in Riesenbeck

Historie Die EM der Springreiter gibt es seit 1957, 1975 wurde die Teamwertung eingeführt. Deutsche Titelträger waren HG Winkler, Fritz Thiedemann, Hermann Schridde, Hartwig Steenken, Alwin und Paul Schockemöhle, Gert Wiltfang, Ludger Beerbaum, Christian Ahlmann, Marco Kutscher und zuletzt 2007 Meredith Michaels-Beerbaum.

Teilnehmer Zur EM haben 76 Reiter aus 23 Nationen gemeldet. Für Deutschland starten Christian Kukuk (Riesenbeck) auf Mumbai, Andre Thieme (Plau am See) auf Chakaria, David Will (Dagobertshausen) auf C Vier und der für Maurice Tebbel ins Team gerückte Marcus Ehning (Borken) mit Stargold.
Weitere Infos unter www.riesenbeck2021.com