Unsere Dressurreiter haben Tokio verlassen, sind mit ihren Medaillen heimgekehrt – herzlich begrüßt von ihren Fans, ihren Familien und den heimischen Medien. Seit gestern richten sich nun alle Augen in der Reiterszene auf Michael Jung mit FischerChipmunk, Julia Krajewski mit Amande de B’Neville und Sandra Auffarth mit Viamand du Matz.

Vor dem Geländeritt, dem Herzstück der olympischen Vielseitigkeit mit 63 Reiter*innen aus 29 Nationen, liegt das deutsche Trio auf Rang zwei dank eines überragenden Rittes von Michael Jung, der mit Fischer-Chipmunk (21,1 Punkte) die Führung erobert hat. An diesem 31. Juli, seinem 39. Geburtstag, hat er die Grundlage gelegt, kann aus eigener Kraft zum dritten Male Olympiasieger werden. Julia Krajewski folgt mit Amande (25,2) auf Rang vier.

Doch zunächst der Reihe nach. Julia Krajewski, die es geschafft hat, knapp drei Jahre nach dem Verkauf ihres Chipmunk mit der elfjährigen französischen Stute Amande wieder ein Pferd auf olympisches Niveau zu bringen, startete am Donnerstag um 9.58 Ortszeit aufs Viereck. Die auf wenige Minuten verkürzte Aufgabe, die ohne Gruß begonnen werden muss, enthält wenig Habhaftes: als Klippe beispielsweise vier fliegende Wechsel sowie ein Angaloppieren im Außengalopp Mitte der kurzen Seite.

Nach ihrer Schlussaufstellung und dem Gruß an die drei Richter und die Fans vor den heimischen Bildschirmen sagt sie: „Mein Ziel waren die 25 Punkte, das haben wir geschafft mit 25,20.“ Dann sagt sie noch: „Ich glaube, am Ende wird dies keine Dressurveranstaltung. Amande ist kein Dressurpferd, das fällt ihr nicht ganz so leicht.“ Das Anzackeln im Schritt habe sie gewiss einige Punkte gekostet. Und mit Blick auf den Geländekurs: „Er ist super gebaut, eine eindrucksvolle Kulisse. Er ist total fair, es gibt, glaube ich, keine Aufgabe, von der man denkt, wie soll das jetzt gehen?“ Mit ihrem dritten Platz, den sie lange zu halten vermag, können Julia Krajewski und das Team zufrieden sein.

Sandra Auffarth allerdings, die Weltmeisterin von 2014, die um 12.26 deutscher Zeit zu sehen ist, vermag die Erwartungen leider nicht zu erfüllen:

„Es war doch ein Unterschied vom Licht her, das ist mir beim ersten Mal, als wir unter Flutlicht geritten sind, nicht aufgefallen. Ich hatte ein gutes Gefühl, er hat sich super zusammengenommen, wollte es gut machen. Aber dann hatte ich ein paar teure Fehler.“

Stimmt. Das erwähnte Angaloppieren im Außengalopp ging völlig schief – Viamant sprang im Links- statt im Rechtsgalopp an! Ein Patzer, der, wenn wir ehrlich sind, einer Reiterin von der Klasse einer Sandra Auffarth nicht passieren darf!

Der vermeidbare Schnitzer geht auf ihre Kappe. Mit 34,10 Minuspunkten war dies am Ende der Dressur nur der 37. Platz – eine herbe Enttäuschung, da reden wir nicht drum herum. Nie zuvor ist ein deutsches Paar in einem wichtigen Championat auf Rang 37 gestartet.

Sandra Auffarths Kommentar: „Am Ende ist das jetzt abgehakt für mich. Die Prüfung wird nicht in der Dressur entschieden.“ Und Hans Melzer, der Bundestrainer, sagte: „Das war schade mit Sandra, mit dem verkehrten Angaloppieren. Aber so ist der Sport. So ein Fehler ist teuer bei dieser Aufgabe, denn es kommt nicht mehr viel, wo du noch punkten kannst. Wir hatten schon gedacht, dass 26 bis 28 Punkte möglich wären. Aber wir haben ja noch einen Trumpf im Ärmel!“

Der Zwischenstand nach dem ersten Tag: Die von Chris Bartle bestens eingestellten Briten mit 49,10 Punkten an der Spitze, danach die Schweden (56,10), dann die Japaner (58,60), gefolgt von den Chinesen (59,10) – unser Team mit 59,30 auf Platz fünf. Hätte Sandra Auffarth statt ihren 34,10 die erhofften 26 bis 28 erreicht – man wäre mit einem Medaillenplatz in den zweiten Tag gestartet. Nun, wie heißt es so schön seit Peer Steinbrück: Hätte, hätte – Fahrradkette!

Heute früh gegen 4 Uhr sieht die Sache gottlob wieder besser aus: Die Briten führen mit 78,30 Punkten vor dem deutschen Trio mit 80,40 Punkten, dahinter die Neuseeländer mit 86,40. Es folgen die Japaner (90,10) und die Schweden (91,10). Michael Jung zeigt auf FischerChipmunk das, was wir seit Monaten in seiner Vorbereitung von ihm gesehen haben: Perfektion. Kommentar:

„So weit perfekt. Ich bin glücklich! Mein Pferd ist in super Form. Das beruhigt einen als Reiter natürlich auch. Ich bin dankbar, dass ich bei Olympia wieder dabei bin.“ Und Hans Melzer: „Das war toll, fehlerlos! Ich hatte das gehofft, Michaels Ritt war Klasse! Die Verschiebung der Spiele hat Michael gut getan, ihm mehr Zeit gegeben, sich mit dem neuen Pferd zu finden!“

Fazit nach der Dressur: Unser Trio profitierte davon, dass der Brite Tom McEwen mit seinem Toledo de Kerser einige Probleme hatte, „nur“ 28,9 Punkte erreiten konnte. Die Verfolger leben nun mal von den Fehlern derjenigen, die vor ihnen liegen. Hoffentlich wird diese neue, verkürzte Aufgabe nie wieder verlangt! Sie ist unrhythmisch konstruiert, prüft mehr die Geschicklichkeit der Reiter, anstatt die Rittigkeit der Pferde. Das das Richten nicht durchgängig plausibel erschien, sehen wir in der Vielseitigkeit leider immer wieder.

Haken wir also den olympischen Aufgalopp ab und blicken wir nach vorne auf den Geländetag. Michael Jung, der hohe Favorit ist einmal mehr der Gejagte! Und Sandra Auffahrt ist besonders gefordert, ihren Patzer auszubügeln und zu beweisen, dass sie zu recht für Tokio nominiert worden ist.