Dieser Schlusstag der olympischen Dressurwettkämpfe in Tokio wird von zwei Nachrichten geprägt: Jessica von Bredow-Werndl gewinnt auf Dalera die Goldmedaille. Und Isabell Werth, die Silber gewinnt, gibt das Ende der Karriere von Bella Rose bekannt.
Werth sagt:
„Das war ihr letztes Championat. Wir werden uns einen schönen Anlass suchen, um die Stute zu verabschieden; sie wird in die Zucht gehen.“ Und was sie persönlich betrifft, sagt sie: „Ich mach‘ noch ein paar Tage weiter!“
Blicken wir in aller Sachlichkeit auf die Dressurtage von Tokio zurück, so stellen wir fest: Auf Isabell Werth, ihre Erfahrung, ihr weltweites Ansehen und ihre Fähigkeit, im großen Wettkampf zu glänzen, kann die deutsche Reiterei (noch) nicht verzichten. Wenn unser Anspruch bleibt, bei Olympia die Goldmedaillen zu gewinnen, uns nicht mit Silber oder Bronze zufrieden zu geben, dann zeigt sich bei genauem Hinsehen: Der Olympiakader ist klein, die überragenden Ritte von Jessica von Bredow-Werndl dürfen nicht darüber hinwegtäuschen.
Die neue Olympiasiegerin wird künftig im Zentrum eines notwendigen Neuaufbaus stehen. Lassen wir einmal die nahende EM in Hagen beiseite – kommendes Jahr findet die WM in Dänemark statt, 2024, also in nur drei Jahren, gibt’s olympische Spiele in Paris. Die Zeit rast. Hoffen wir vor allen Dingen, dass Monica Theodorescu ihren Vertrag als Bundestrainerin verlängert – sie ist die Idealbesetzung.
(Wichtig zu wissen: Die Verträge der Bundestrainer gelten „nur“ für eine Olympiade, also den Zeitraum von vier Jahren. Mit den Spielen laufen sie aus, müssen dann erneuert werden. Bekanntlich löst Peter Thomsen zum Jahresende Hans Melzer ab. Ob Monica Theodorescu und Otto Becker verlängern? Hoffentlich!)
Was ist noch erwähnenswert? Von den 18 Finalisten in der Kür stammten neun Pferde aus der niederländischen Zucht, sieben aus der deutschen, dazu ein Däne und ein Lusitano. Verständlich, dass die Trakehnerszene „ihre“ TSF Dalera jetzt frenetisch feiert. Wer mag ihnen das verdenken? Ob’s einen Aufschwung für diese so traditionsreiche Zucht gibt – wir werden es sehen.
Kritisch anzumerken bleibt: Brauchen wir wirklich sieben Richter rund ums Viereck, sodass man vor lauter Häuschen das Geläuf nicht sieht? Zugegeben, das Publikum fehlte heuer – für mich das größte Manko dieser Spiele. Übrigens, Hubertus Schmidt, der als Trainer vor Ort war, hat beobachtet, wie japanische Sportsfreunde in eine lokale Sporthalle strömten – er fragt sich zurecht, wo da die Logik geblieben ist.
Apropos Richter. Die Idee des IOC und der FEI, nämlich „more flags“ in Tokio am Start zu sehen, also mehr Nationen – die Analyse der drei Wettkämpfe erbringt zu diesem Thema nichts. Oder reicht es bereits, wenn eine nette junge Dame als erste Reiterin für Singapur am Start ist, doch leider disqualifiziert werden muss, weil ihr Pferd im Maul ein wenig blutet? Keinem Außenseiter, keinem Exoten glückte der Ritt unter die Weltbesten. Hätte man das bewährte Streichresultat beibehalten, wären mehr Pferde aus den Nationen am Start gewesen, die den Dressursport seit langen Jahren tragen.
Genau das wäre für den Fortbestand und das hohe Niveau der olympischen Dressur weitaus wichtiger gewesen als mehr Fahnen. Wer gestern die Kür verfolgt hat, dem kann nicht verborgen geblieben sein, dass einige der Finalpferde müde wirkten nach den harten Tagen und Abenden. Wirklich schade, dass IOC-Präsident Thomas Bach und FEI-Präsident Ingmar de Vos offenbar nicht wissen, dass das Streichresultat ein aktiver Beitrag zum Schutz der Pferde ist. Nichts anderes. Ich bin gespannt, wie unter diesem Aspekt der Geländeritt am Sonntag verlaufen wird.