Bei den deutschen Meisterschaften in Balve brilliert Helen Langehanenberg vor Matthias Rath. Ludger Beerbaum stürzt mit Gotha.

Auch für die Reiter rückt London mehr und mehr ins Blickfeld. Ludger Beerbaum (48), der viermal Gold in seinem Trophäenschrank liegen hat, besitzt gute Chancen, an der Themse seine siebten Spiele zu bestreiten – das wäre ein Rekord im deutschen Pferdesport.

Gestern allerdings stürzte er bei dem Versuch, zum zehnten Male deutscher Meister zu werden: „Das war bitter, Gotha hat eine Prellung, ich hoffe, dass die Stute bis Aachen wieder fit wird.“ Den Titel holte sich überraschend der rheinische Profi Marc Bettinger vor der Damenmeisterin Janne-Friederike Meyer. Beerbaum belegte mit seiner Schimmelstute Chiara Platz vier.

Gerade Ludger Beerbaum weiß genau, was er sich und seinen Fans schuldig ist: „Nach dem fürchterlichen Desaster von Hongkong 2008 haben wir in London etwas gutzumachen. Trotzdem sollten wir uns jetzt nicht in die Favoritenrolle drängen lassen.“ Leichter gesagt als getan: Vor einer Woche hatte der frisch verheiratete Familienvater auf der legendären Piazza di Siena in Rom den Großen Preis gewonnen, einen Klassiker des internationalen Springsports, der 1926 zum ersten Male ausgeritten wurde; der letzte deutsche Sieger war Franke Sloothaak 1996. Die deutsche Equipe mit Beerbaum, Ahlmann, Ehning und Kutscher schaffte in Rom auch den Sieg im Nationenpreis. Das Fazit des Einzelolympiasiegers von 1992:

„Wir alle sind auf einem guten Weg.“

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die deutsche Equipe mit Ehning, Michaels-Beerbaum, Tebbel und Ahlmann am vergangenen Freitag den Preis der Nationen in St. Gallen nur auf dem vierten Rang beenden konnte. Gestern gewann Marcus Ehning auf Plot Blue den Großen Preis der Schweiz. Und der Bundestrainer Otto Becker, der deshalb in Balve fehlte, sieht die aktuelle Lage seiner Cracks so: „Im Nationenpreis hat uns etwas das Glück gefehlt, umso schöner ist heute der Sieg für Marcus Ehning.“

Müsste der Bundestrainer sein Olympiateam heute nominieren, sähe es wohl so aus: Beerbaum mit Gotha, Ahlmann mit Taloubet, Ehning mit Plot Blue und Janne-Friederike Meyer mit Lambrasco; Carsten-Otto Nagel auf Corradina müsste mit der Rolle des Reservisten zufrieden sein. Janne Meyer verteidigte übrigens in Balve souverän ihren Meistertitel bei den Damen; in der Herrenkonkurrenz, die sie auf Geheiß des Bundestrainers als einzige Frau bestritt, holte sie Silber.

Auch auf dem Dressurviereck, wo die deutschen Reiter ihre Goldmedaille von Hongkong – und ihren guten Ruf – zu verteidigen haben, kristallisiert sich das Team für den Greenwich Park immer deutlicher heraus. Müsste Jonny Hilberath, der neue Bundestrainer, heute die Olympiastarter benennen, so wären das: Helen Langehanenberg (30) auf dem zwölfjährigen Westfalenhengst Damon Hill, den übrigens die Buschreiterin Ingrid Klimke ausgebildet hat; Langehanenberg holte sich in Balve überraschend, aber hochverdient die beiden Titel in der klassischen Grand-Prix-Tour und in der Kür.

Auch Matthias Rath mit seinem zwölfjährigen „Wunderhengst“ Totilas wäre dabei, obwohl er seine Titel aus dem Vorjahr nicht verteidigen konnte, sondern zweimal mit einem „Vize“ vorlieb nehmen musste. Zerknirscht gestand er ein: „Wir machen noch zu viele Fehler.“ Dritte im Bunde wäre die erst 25-jährige Kristina Sprehe auf ihrem elfjährigen Hannoveraner Hengst Desperados, die zweimal Bronze gewann. Alle drei wären übrigens Debütanten bei Olympischen Spielen.

Der vierte Startplatz, der einem Einzelreiter vorbehalten bleibt, ist hingegen vakant. Die Chancen von Isabell Werth sind allerdings rapide gesunken: „El Santo ist nicht olympiareif, 2012 ist nicht mein Jahr“, sagte die restlos enttäuschte, erfolgreichste Dressurreiterin der Welt. Ihr elfjähriger Rheinländer hatte gebockt, die Mitarbeit praktisch verweigert und nur die Plätze acht und neun belegt. Werths London-Hoffnung, der zehnjährige Don Johnson, hatte sich auf dem Viereck leicht verletzt – seine Reiterin musste aufgeben, hat allerdings in Aachen noch die Chance, den vierten Startplatz zu erkämpfen.

Noch bleiben den deutschen Reitern gut vier Wochen Zeit, ehe die Bundestrainer und ihre Fachgremien entscheiden müssen. Am 8. Juli wird in der Soers für Olympia nominiert. Dort findet auch für die Buschreiter mit ihrem Star Michael Jung an der Spitze die letzte Sichtung statt.