Seit 1976 ist die deutsche Equipe ungeschlagen. Diesmal sind die Engländer die Favoriten. Tradition ist prima, hilft im Sport aber nicht weiter.

Wenn heute das olympische Dressurturnier beginnt, können sich Dorothee Schneider auf Diva Royal, Kristina Sprehe auf Desperados, Helen Langehanenberg auf Damon Hill und Anabel Balkenhol auf ihrem Dablino nichts kaufen für die legendären Siege eines Josef Neckermann, einer Liselott Linsenhoff, einer Nicole Uphoff oder einer Isabell Werth. Das weiß auch Jonny Hilberath, der Bundestrainer:

„Meine vier Damen und ihre Pferde sind allesamt Debütanten auf dem olympischen Viereck. Aber wir lassen uns nicht bange machen – nicht von der Konkurrenz und nicht von der Tradition.“

Das Dressurreiten auf Weltniveau sei professioneller und anspruchsvoller geworden; nicht von ungefähr seien Helen Langehanenberg und auch Dorothee Schneider staatlich geprüfte Berufsreiter – genauso wie ein Michael Jung oder eine Sandra Auffahrt.

Gleichwohl, die Tradition kann gerade im Sport durchaus zu einer Last werden. Lässt man die vom Westen boykottierten Spiele von Moskau 1980 einmal außer Acht, so sind die deutschen Hufschlagakrobaten, wie man sie despektierlich nennt, seit den Spielen von Montreal 1976 ungeschlagen. Achtmal hintereinander gab es seitdem Teamgold, zuletzt vor vier Jahren in Hongkong. Nun aber, im Greenwich Park von London, werden die Karten völlig neu gemischt.

Jonny Hilberath sagt: „Die Engländer mit Karl Hester, Charlotte Dujardin und Laure Bechtolsheimer sind die Favoriten, meine Mannschaft, die Dänen und die Amerikaner kämpfen um Silber. Das wird spannend.“ Aber weil bange machen ja nicht gilt, sagt Hilberath schon seit Wochen immer wieder: „Unser Ziel ist selbstverständlich die Goldmedaille. Wir sind gut vorbereitet, das hat man beim letzten Test in Aachen gesehen. Es macht Spaß, mit dieser Mannschaft zu arbeiten. Anabel Balkenhol, die Tochter des früheren Bundestrainers und Mannschafts-Olympiasiegers Klaus Balkenhol, werde „nur“ als Einzelreiterin antreten.

Zu beachten im Feld der 50 Pferde aus zehn Dreierteams und zwanzig Einzelreitern ist unter anderem die dreifache Olympiasiegerin Anky van Grunsven aus den Niederlanden mit ihrem inzwischen 18-jährigen Salinero. Ihr Mann, Sjef Janssen, das steht nun endgültig fest, wird nach den Spielen neuer Trainer von Matthias Rath und seinem Totilas – von diesen beiden aber ist bei Olympia gegenwärtig kaum noch die Rede. Jonny Hilberath sagt:

„Wir haben Kontakt zur Familie Rath/Linsenhoff in Kronberg, aber wie es Reiter und Pferd im Moment geht, das wissen wir nicht so ganz genau.“

Heute von 12 Uhr deutscher Zeit an, müssen die ersten 25 Pferde aufs Viereck, morgen folgt die zweite Hälfte. Aber erst am 7. August, dem kommenden Dienstag, fällt im Grand Prix Spezial die Entscheidung darüber, welche Equipe Olympiasieger wird. Das Einzelfinale in der Kür steht sogar erst am Donnerstag, 9. August, auf dem Programm – dem letzten Tag der Reiterspiele von London. Der Bundestrainer sagt: „Die Tatsache, dass unser Wettkampf sich so lange hinzieht wie noch nie bei olympischen Spielen, ist eine besondere Herausforderung für uns alle.“