Gegen 13 Uhr deutscher Zeit hat Joachim Jung gegenüber reitturniere.de kurz und knapp mitgeteilt: „Einspruch abgelehnt!“ Das Tribunal wird nicht angerufen, weil keine Aussicht auf Erfolg besteht.

Damit ist klar: Michael Jung und FischerChipmunk, jetzt auf Rang zehn, gehen morgen mit 32,10 Strafpunkten in die beiden Parcours um die Einzel- und die Teammedaillen. Julia Krajewski mit Amande belegt mit nur 25,60 Punkten den Silberrang. Sandra Auffarth und Viamant du Matz belegen Rang 32 mit 56,50 Punkten. Goldfavorit England führt mit 78,30 Punkten, gefolgt von Australien (96,20), Frankreich (97,10) und Neuseeland (104,0). Das deutsche Trio liegt mit 114,20 auf Platz sechs.

Nicht zu vergessen: Der obligate Vet-Check findet in der Nacht zum Montag zwischen 2.30 und 4 Uhr deutscher Zeit statt. Das Teamspringen beginnt um 10 Uhr hiesiger Zeit und soll gegen 12.35 beendet sein. Das Finale der besten 18 Einzelreiter folgt dann von 13.45 bis 15.15 Uhr.

Die Bilanz des gestrigen Sonntags kann dem internationalen Pferdesport nicht gefallen, im Gegenteil. Beim olympischen Geländeritt hat sich der Hengst Jet Set des Schweizers Robin Godel so schwer verletzt, dass er eingeschläfert werden musste: Bänderriss im rechten, vorderen Fesselkopf. Ein Unfall, geschehen im Wasserkomplex – kein Sturz etwa, sondern ein Umknicken oder dergleichen; exakt sehen konnte man das anscheinend nicht. Den Reiter, so betonen die Schweizer ausdrücklich, trifft, keinerlei Schuld. Robin Godel war gut unterwegs, sein Pferd vom Kurs nicht etwa überfordert.

Tatsache ist leider: Unter dem zu recht kritisierten Motto „More flags!“ haben IOC und FEI den Zugang zum olympischen Dreikampf bewusst geöffnet. Deshalb haben wir heute Nacht zwar wenig Stürze gesehen, wohl aber müde Pferde, die sich schwer taten in der Tokioter Hitze und auf dem Kurs, der wie eine Berg-und-Tal-Bahn angelegt war. Verglichen mit den Kursen etwa von London 2012 und Rio 2016 war dieser Kurs von Tokio eher im mittleren Schwierigkeitsgrad angesiedelt – aber die äußeren Umstände waren, so sieht es etwa Joachim Jung, „doch schwieriger als in London oder Rio“.

Die reinen Fakten: Von den ursprünglich 63 Pferden stehen heute, vor dem Vet-Check morgen, noch 48 in der Wertung. 15 Pferde wurden vor dem Start zurückgezogen, eliminiert oder während der Prüfung von ihren Reitern gestoppt. Nur die drei Briten an der Spitze absolvierten den Kurs ohne Zeit- und/oder Hindernisfehlern, ebenso Andrew Hoy und Shane Rose für Australien. Sonst niemand. Die Teams von Schweden und Thailand brachten keinen Reiter ins Ziel.

Mein Fazit aus deutscher Sicht. Dass der Einspruch von Joachim Jung abgewiesen werden würde, war zu erwarten. Trotzdem war er richtig. Denn bei diesen Sicherheitssystemen, die noch neu sind und keineswegs technisch ausgereift, steckt der Teufel tatsächlich im Detail, namentlich in den Stahlstiften, die die bewusst schweren Hindernisteile halten sollen. Im Prinzip ist die Einführung dieser Technik richtig – aber was mich doch erstaunt: In Frankreich, so berichtet es Joachim Jung, gibt es nur für den Fall Strafpunkte, dass Pferd und Reiter stürzen. Wer nach dem Anstoßen weiterreiten kann, geht straflos aus! Ich meine, dass es in dieser Sache nicht zweierlei Maß geben dürfte!

Aus rein deutscher Sicht lagen Licht und Schatten gestern mal wieder eng beisammen: Julia Krajewski überzeugte auf ihrer Amande in allen Belangen. Dickes Kompliment! Sie freute sich über ihren erfolgreichen Ritt auf den Einzelrang zwei völlig zurecht, wies mit selbstkritischem Ton darauf hin, dass sie stolz sei auf ihr noch junges Pferd – gerade angesichts der Tatsache, dass sie in der Vergangenheit bei den Championaten, bei denen sie eingesetzt war, nicht restlos überzeugen konnte. Morgen könnte der große Tag der Julia Krajewski werden, wobei an dieser Stelle anzumerken ist, dass Michael Jungs Chipmunk aus der Schule von Julia Krajweski stammt und der Olympiasieger von London und Rio wiederholt erklärt hat, er habe noch nie zuvor ein so gut gerittenes Pferd übernommen.

Michael Jung hätte in diesen Tagen die Chance gehabt, Sportgeschichte zu schreiben: drei Goldmedaillen hintereinander! Dieser Traum ist leider zerplatzt! Sehr Schade. Zumindest für diesmal. Aber in drei Jahren folgen die Spiele von Paris. Michael Jung traue ich zu, seinen Chipmunk bis dahin auf Topniveau zu halten. Dann ist er 16 Jahre alt. Bei der EM im September in Avenches wird er, Stand heute, FischerWildWave reiten.

Sandra Auffarth muss nach ihrem Patzer in der Dressur und ihrem unnötigen Vorbeiläufer heute kritische Anmerkungen ertragen – auch wenn’s ihr nicht gefallen wird. Nach ihrem Ritt sagte sie wörtlich in die Mikrofone: „Dieser Kurs lag ihm, ich habe nicht mit dem Vorbeiläufer gerechnet. Er ist ein unglaubliches Geländepferd, war heute sehr frisch. Mein Pferd hat die Aufgabe nicht erkannt! Ich kann ihm nicht böse sein!“
Meine bescheidene Frage: Sollte es nicht der Reiter sein, der dem Pferd die Aufgaben stellt? Oder muss das Pferd wirklich die Aufgaben alleine lösen? Sandra Auffahrt, die übrigens auch in Rio einen Vorbeiläufer hatte, kannte die Strecke genau, auch diese leichte Rechtskurve nach dem Wasseraussprung.

Von einer Topreiterin ihrer Klasse darf man erwarten, dass sie eine solche Situation entschlossen meistert – sie ist aber, was die Bilder zeigen, im entscheidenden Augenblick mit ihren Hilfen nicht durchgekommen. Im Verlauf der Strecke sah man, dass sie mehrmals versuchte, ihren Fuchs auf die Hinterbeine zu bekommen – mit mäßigem Erfolg. Offenkundig mangelt es an der Dressurarbeit, der Wallach reagiert oft nicht auf die Paraden, läuft schlicht unter den Hilfen seiner Reiterin hindurch.

Was tun? Michael Jung hat recht mit seiner pragmatischen Sicht auf morgen: „Wir müssen kämpfen und morgen jeweils zwei Nullrunden zeigen. Dann sehen wir, was am Ende herauskommt!“ So einfach ist das. Schönen Sonntag!