Erst im Stechen setzen sich Nick Skelton und sein Team gegen die Niederländer durch. Ehning und Michaels-Beerbaum im Einzelfinale.
Vor sechzig Jahren, bei den olympischen Spielen 1952 in Helsinki, haben Harry Llewellyn auf Foxhunter, Douglas Steward Aherlow und Wilfred White auf Nizefela Gold gewonnen im Preis der Nationen, damals noch für das Vereinigte Königreich. Gestern taten es ihnen Nick Skelton auf Big Star, Ben Maher auf Tripple, Scott Brash auf Hello Sanctos und Peter Charles auf Vindicat gleich – für Großbritannien. In einem dramatischen Stechen im restlos ausverkauften Greenwich Park mussten sich die Niederländer, der Olympiasieger von Barcelona 1992, am Ende geschlagen geben.
Nick Skelton, der hohe Favorit auf das Einzelgold am Mittwoch, sagte Minuten nach seiner Equipe: „Ich bin überglücklich, aber ich hab‘ heute gezittert und mächtig Nerven gelassen. Es war spannend wie noch nie.“ Tausende Fans feierten ihre Reiter frenetisch – vergangene Woche hatten sich die britischen Buschreiter mit Silber hinter dem deutschen Team um Michael Jung zufrieden geben müssen.
Den Niederländern, Mannschafts-Weltmeister von 2006 in Aachen, unterliefen im entscheidenden Stechen zwei Abwürfe zu früh – ihr vierter Reiter brauchte nicht mehr anzutreten. Jur Vrieling auf Bubalu, Gerco Schroeder auf London, Marc Houtzager auf Tamino und Maikel van der Vleuten auf Verdi erkannten die Klasse ihrer Gegner fair an. „Die besten haben verdient gewonnen“, sagte ihr Teamchef Rob Ehrens. Die Bronzemedaille ging überraschend an das Quartett aus Saudi Arabien, die vor zwei Jahren bei der WM in Lexington/Kentucky angekündigt hatten, 2012 in London Gold holen zu wollen.
Im Fokus der deutschen Reiter und ihres Bundestrainers Otto Becker stand gestern die Aufgabe, möglichst unter die 35 punktbesten Einzelreiter zu kommen – sie dürfen am Mittwoch um die Medaillen reiten, alles geht wieder bei null los. Zu absolvieren sind zwei schwere, voneinander unterschiedliche Parcours; möglicherweise mit einem Stechen am Ende.
Zum Auftakt demonstrierte Meredith Michaels-Beerbaum auf ihrer erst neunjährigen Holsteiner Stute Bella Donna, weshalb sie seit fast zwanzig Jahren zu den besten Amazonen der Welt gehört: eine Nullrunde, lediglich am Ende mit einem einzigen Zeitstrafpunkt belastet. Beim Herausreiten aus dem schweren Kurs mit seinen 13 Hindernissen und 16 Sprüngen reckte die gebürtige Amerikanerin beide Arme in die Höhe und rief: „Einzelfinale – Here wie come!“ Wenige Minuten später zeigte Markus Ehning, der Mannschaftsolympiasieger von Sydney, auf seinem Hengst Plot Blue eine blitzsaubere Nullrunde.
„Schade, dass er gestern nicht so frisch war wie heute“
,sagte Ehning. Und Bundestrainer Otto Becker meinte: „Wenn es gestern für uns so gelaufen wäre wie heute, dann hätten wir im Kampf um die Medaillen ein Wörtchen mitgeredet. Aber wäre und hätte.“ Otto Becker: „Wenn diese beiden Pferde ihre Form halten können, gebe ich Meredith und Marcus am Mittwoch im Einzelfinale durchaus eine Medaillenchance.“
Unbefriedigend verlief der Tag allerdings für Janne Meyer, die Mannschafts-Welt- und Europameisterin. Ihr 14-jähriger Holsteiner Lambrasco wurde im Verlauf des Kurses immer hektischer, patzte und musste kurz vor Schluss sogar angehalten werden, um einen möglichen Sturz zu verweigern. Die 31-Jährige zog nur wenig später eine unerwartete Konsequenz: „Für Lambrasco war das sein letztes Championat. Man hat gesehen, dass er heute an seine Leistungsgrenze gekommen ist. Das möchte ich meinem Pferd nicht mehr zumuten.“
Heute um 11 Uhr deutscher Zeit beginnt im Greenwich Park der Grand Prix Spezial, an dessen Ende die Medaillen in der Mannschaftsdressur vergeben werden. Für Helen Langehanenberg auf Damon Hill, Kristina Sprehe auf Desperados und Dorothee Schneider auf Diva Royal liegt die Silbermedaille zum Greifen nahe, es besteht sogar eine Chance, die seit 1976 ungebrochene Siegesserie fortzusetzen gegen die knapp führenden Briten.
Bundestrainer Jonny Hilberath sagte gestern: „Wir freuen uns auf diese Entscheidung, wir nehmen diese Herausforderung an. Wenn meine drei Mädels nochmal so stark auftreten wie im Grand Prix, dann ist alles möglich. Abgerechnet wird zum Schluss.“ Nach Gold im Springen wollen die Briten heute auch das Gold auf dem Dressurviereck.