Beim Weltcupfinale der Dressurreiter im niederländischen Herzogenbosch kann die Dänin Lone Jörgensen aus Münchingen einen großen Schritt in Richtung London tun.
Uli Eggers hat, was man nicht lernen kann: einen siebten Sinn für Pferde. Wenn sich die Fohlen auf der Weide tummeln, erkennt er ihre Talente und ahnt, was aus ihnen werden könnte. Der 62-Jährige, seit den siebziger Jahren in der Region Stuttgart zuhause, ist gerade im Begriff, sein untrügliches Auge einmal mehr unter Beweis zu stellen: „Auf einer Koppel bei Göppingen habe ich De Vito entdeckt, das war vor genau zehn Jahren. Sein Potential als Dressurpferd war nicht zu übersehen.“
Eggers Lebenspartnerin Lone Jörgensen startet diese Woche mit De Vito beim Weltcupfinale im niederländischen Herzogenbosch – London könnten, nach Sydney und Athen, ihre dritten Olympischen Spiele werden.
„Wir sind die Kleinen unter den Großen unseres Sports“
sagt Lone Jörgensen (49) und lacht: „Wir besitzen keine Millionen, um Spitzenpferde zu kaufen – wir sind darauf angewiesen, junge Talente aufzuspüren und sie mit Geschick und Geduld auszubilden.“ Das ist dem Erfolgsgespann aus Münchingen in den letzten zwanzig Jahren mehrmals geglückt: Wempe Juwel, Kennedy, Ludewig und Donna Asana hießen die Toppferde, die die beiden ehemaligen Springreiter gemeinsam in die Weltelite der Dressur geführt haben.
Zwei Bronzemedaillen mit dem dänischen Team bei Europameisterschaften 1999 und 2001 waren ihre größten Erfolge. Lang ist’s her. Doch weil Lone Jörgensen und Uli Eggers Berufsreiter sind, also von ihrem Sport leben müssen, waren sie stets gezwungen, ihre international begehrten Pferde zu einem passenden Zeitpunkt zu verkaufen – danach fing der Reigen des Neuaufbaus wieder von vorne an.
Nun also der zehnjährige Wallach De Vito, der das baden-württembergische Brandzeichen trägt. „Er ist als Fohlen gut aufgewachsen, hat einen sehr guten Charakter und ist immer bei der Sache“, sagt Uli Eggers. Und Lone Jörgensen sagt:
„Eigentlich ist De Vito ein Spätzünder, er hat wesentlich weniger Turniere bestritten als viele seiner Altersgenossen. Das kommt uns jetzt zugute.“
Erst Ende Februar, sie sei selbst überrascht gewesen, habe sich De Vito auf dem internationalen Turnier in Göteborg mit einem tollen dritten Platz in der Kür für das bevorstehende Weltcupfinale im niederländischen Herzogenbosch qualifiziert. Dabei sei das für De Vito „erst seine dritte Kür gewesen“. Prompt berief Rudolf Zeilinger, der deutsche Nationalcoach der Dänen, die beiden in den aktuellen Olympiakader.
„Wir wollen es einfach nochmal wissen“, sagt Uli Eggers, solle heißen: „Auch für De Vito hat es bereits eine Reihe von Kaufangeboten gegeben, denn die Dressurpferde dieser Klasse sind äußerst rar und international heiß begehrt, gerade wenn es auf olympische Spiele zugeht.“ Aber man habe „dem Lockruf des Geldes widerstanden, denn wir möchten uns und der immer kritischen Szene beweisen, dass wir es noch einmal schaffen können: Ein junges Pferd entdecken, selbst ausbilden und bis zur olympischen Reife führen“.
Am nächsten Montag, einen Tag nach dem Weltcupfinale, feiert Lone Jörgensen ihren 50. Geburtstag. Zwei starke Ritte und zwei gute Plätze im internationalen Feld der Dressurstars – damit könnte sie sich selbst das schönste Geschenk machen. Ob’s freilich für den Olympiastart in London reicht, wird sich erst später erweisen, denn weitere Turniere warten, darunter die dänische Meisterschaft in Kopenhagen, wo Lone Jörgensen geboren ist. Erst Anfang Juli müssen die Teams für London endgültig nominiert werden.
„Wenn wir es am Ende doch nicht schaffen“, sagt Uli Eggers in aller Sachlichkeit, „dann geht die Welt auch nicht unter.“ So oder so, für Lone Jörgensen „ist unser De Vito das beste Pferd, das ich jemals unter dem Sattel hatte“.
Historie Seit 1979 gibt es das jährliche Weltcupfinale der Springreiter, basierend auf Qualifikationen in allen fünf Erdteilen. Das Finale der Dressurreiter besteht seit 26 Jahren, basierend auf Qualifikationen in Europa und Nordamerika. Die Finals finden traditionell in der Halle statt und beenden die internationale Hallensaison, diesmal von Donnerstag bis Sonntag im niederländischen Herzogenbosch.
Springen Für das Finale 2012 haben sich 37 Reiter aus 18 Nationen qualifiziert. Für Deutschland starten der Titelverteidiger Christian Ahlmann, Ludger Beerbaum, Marcus Ehning, Marco Kutscher und Philipp Weishaupt.
Dressur Bei diesem Finale, das in einer Kür am Samstag entschieden wird, starten 18 Reiter aus elf Nationen. Titelverteidigerin ist die Niederländerin Adelinde Cornelissen. Für Deutschland reiten Nadine Capellmann, Helen Langehanenberg und Isabell Werth.