Niederländer Sjef Janssen beschimpft die Kampfrichter

Hinter den Kulissen des olympischen Dressurturniers schlagen die Wogen hoch. Der niederländische Nationaltrainer Sjef Janssen wirft dem Kampfgericht vor, nicht objektiv zu urteilen. Die Jury hat sich dagegen verwahrt.

Als Isabell Werth, Heike Kemmer und Nadine Capellmann ihre Goldmedaillen um den Hals trugen, als die deutsche Nationalhymne verklungen und die Freudentränen getrocknet waren, holte Sjef Janssen, der Mann von Anky van Grunsven, zum großen Rundumschlag aus. Der Trainer der niederländischen Mannschaft, die „nur“ Silber gewonnen hatte, rastete in internen Gesprächen regelrecht aus.

Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung erklärte Janssen: „Der deutsche Chefrichter Gotthilf Riexinger bevorzugt die deutschen Reiter. Der dänische Richter Leif Tornblad punktet seine Dänen hoch. Der US-Richter Gary Rockwell gibt seinen US-Reitern viel zu viele Punkte.“ Selbst vor seinem niederländischen Landsmann Ghislain Fourage machte Sjef Janssen nicht halt: „Der drückt meine Reiter nach unten.“

Als der Grand Prix Spezial für die Einzelwertung am späten Samstagabend beendet war, reagierte die Jury. Marietta Withages, die Vorsitzende der Richterkommission des Weltverbandes FEI, lud zur Sondersitzung hinter verschlossenen Türen. Sämtliche Olympiarichter waren geladen, dazu die Equipechefs aus Dänemark, den USA, den Niederlanden und der Bundesrepublik.

Ziel der Zusammenkunft war es, Sjef Janssens Vorwürfe in aller Form zurückzuweisen und ihn zur Mäßigung aufzufordern.Es gehe darum, so verlautete aus dem Richterkollegium, ihn in seine Schranken zu weisen und den Streit nicht eskalieren zu lassen. Mariette Withages sagte gegenüber der Stuttgarter Zeitung:

„Wir alle wollen nicht, dass der Streit eskaliert, sondern dass Frieden herrscht. Ich glaube, dass einige Reiter und Trainer schon zu lange hier in Sha Tin sind, die haben einen Lagerkoller.“

Sjef Janssen habe im Moment keine offizielle Rüge zu befürchten, sie selbst werde mit ihm sprechen. Auch der niederländische Equipechef werde ihn zur Fairness anhalten. Wie berichtet, hatten die Niederländer Silber gewonnen hinter Deutschland, die Dänen holten zum erstenmal Bronze, die Amerikaner mussten sich mit Rang vier begnügen.

Als Ursache für die Ausfälle des Ehemanns von Anky van Grunsven sieht man im Dressurlager die Tatsache, dass es seine Reiter nicht geschafft haben, den deutschen Olympiasieg zu verhindern. Ihre Chance auf die Goldmedaille war schon frühzeitig dahin. Zu dieser Zeit hatte der für seine verbalen Attacken bekannte Janssen immerhin eingeräumt: „Wir haben Gold nicht verdient, wir haben uns vermanagt.“ Außerdem musste Janssen am Samstag einen schweren Rückschlag hinnehmen.

Imke Schellekens-Bartels, die zweitbeste Reiterin in seinem Team nach seiner Frau Anky, konnte nicht in die Einzelkonkurrenz starten, weil ihr Pferd Sunrise lahmte. Im Kreis der Aktiven führt man dies darauf zurück, dass Sjef Janssen in den Tagen vor Beginn der Wettkämpfe seinen Reitern und Pferden ein ungewöhnlich langes und intensives Training abverlangte. Angesichts der Hitze und der hohen Luftfeuchtigkeit in Hongkong hatten alle anderen Dressurnationen nur ein dosiertes Training abgehalten, um die Kräfte der Pferde nicht unnötig zu belasten.

Nach dem unerwarteten Patzer von Isabell Werths Satchmo dürfte sich die Miene von Sjef Janssen wieder etwas entspannt haben: Nur 0,240 Prozentpunkte trennen seine Frau mit ihrem Salinero von Isabell Werth mit Satchmo. Der Kampf zwischen diesen beiden um die Goldmedaille wird spannend und ist völlig offen.

Das persönliche Verhältnis zwischen Sjef Janssen und dem Olympia-Chefrichter Gotthilf Riexinger gilt schon seit geraumer Zeit als scher belastet. Janssen hatte, wie bereit berichtet, über Monate hinweg verwucht, den Reutlinger von dieser Position absetzen zu lassen.

Wenige Wochen vor Beginn der Spiele hatten niederländische Medien dem Deutschen „nationalistisches und chauvinistisches Richten“ vorgeworfen, sich dann aber bei Riexinger dafür entschuldigt. Auch dieser Vorfall wird im Dressurlager als Teil eines Nervenkrieges gewertet, den Sjef Janssen gegen die Hauptkonkurrenten seines Teams seit langem führt.

Gotthilf Riexinger, der seit 1985 Turnierleiter beim German Masters in der Schleyerhalle ist, hat die niederländischen Dressurstars seit Jahren immer wieder eingeladen – doch keiner aus der ersten Reihe wollte in der Schleyerhalle antreten. Die Niederländer sagen: Auf Riexingers Hausturnier gewinnen immer die Deutschen. Auch in diesem Jahr, so viel steht schon jetzt fest, werden die deutschen Olympiasieger Mitte November ihre besten Pferde satteln.

Übrigens: In wenigen Wochen, Mitte September, treffen Anky van Grunsven und Isabell Werth bereits wieder aufeinander – im Schlosspark von Donaueschingen. Dort werden sie allerdings nur ihre Zweit- und ihre Nachwuchspferde reiten – die Olympiastars Salinero und Satchmo haben erst einmal Pause.