Hinrich Romeike wird Olympiasieger – Wieder Gold für die Mannschaft
Vier Jahre nach dem Verlust der Goldmedaille von Athen sind die deutschen Vielseitigkeitsreiter wieder Olympiasieger. Hinrich Romeike holte auf seinem Schimmel Marius auch noch das Einzelgold.
„Heute erkämpfen wir uns hier die Medaillen zurück, die schon vor vier Jahren in Athen berechtigt gewesen wären“ ,sagte Hinrich Romeike aus tiefstem Herzen, kurz nachdem er – trotz eines Abwurfes mit seinem Marius – den Mannschaft-Olympiasieg gegen die Australier sichergestellt hatte. Neunzig Minuten später stand der 45-jährige Zahnarzt aus Nübbel im Landkreis Rendsburg-Eckernförde wieder im Rampenlicht: diesmal als neuer Olympiasieger in der Einzelwertung:
„Ich wusste seit vier Jahren, seit dem Verlust unserer Goldmedaille von Athen, dass da noch irgendwo eine solche Medaille für uns liegt. Was ich nicht wusste – es waren zwei Goldmedaillen.“
Am Abend seines größten sportlichen Erfolges als Vielseitigkeitsreiter gestand Hinrich Romeike, was ihn seit genau vier Jahren innerlich umtreibt: „Diese Sache von Athen ist in meinen Augen bis heute nicht wirklich geklärt und entschieden. Das hat mich immer geärgert.“ Nun sei dieser Fall für ihn erledigt.
„Was soll ich nach dem gewinn zweier Goldmedaillen sagen – mein Herz ist voll, aber mein Kopf ist leer. Als ich als letzter Reiter in den Parcours ritt und wusste, dass ich fehlerlos bleiben muss, ist es wie ein Film vor mir abgelaufen. Solch einen Ritt kann man nicht planen – der passiert einfach.“
Sein 14-jähriger Holsteiner Schimmel erwies sich gestern Abend als das überragende Pferd dieses olympischen Dreikampfes. Die Amerikanerin Gina Miles gewann auf Mcinlaigh die Silbermedaille; bei der Pferdekontrolle am Vortag wäre der Wallach fast wegen einer leichten Lahmheit aus dem Wettbewerb genommen worden. Die Bronzemedaille ging an die britische Profireiterin Kristina Cook auf Miners Frolic. Ingrid Klimke, die vor dem Einzelfinale noch auf dem Silberrang gelegen hatte, büßte die mögliche Medaille durch einen Flüchtigkeitsfehler ein.
Dennoch war die 40-jährige nicht traurig: „Jetzt habe auch ich endlich meine Goldmedaille. Die von Athen musste ich in einem Päckchen zurückschicken – das möchte ich nie mehr erleben.“
Bronze in Mannschaftswettkampf ging an die Equipe der Engländer, die in den dramatischen Zweikampf zwischen den Deutschen und den Australiern nicht eingreifen konnten. Die Amerikaner und die Franzosen, deren Proteste vor vier Jahren die zwei deutschen Goldmedaillen gekostet hatten, erlebten einen sportlich bitteren Abend: Nur der siebte Platz für die von Mark Phillips geführte US-Equipe, nur der elfte und letzte Platz für die Franzosen, deren Team im Verlauf der Wettbewerbe von Hongkong gesprengt worden war.
Weil nur die besten drei Reiter einer Mannschaft ins Einzelfinale einziehen dürfen, mussten Frank Ostholt mit Mr. Medicott und Peter Thomsen mit Ghost of Hamish zuschauen. „Ich wäre gerne dabei gewesen,“ gestand der Warendorfer Frank Ostholt,
„aber heute das Teamgold mit meinem erst neunjährigen Pferd – das ist für mich das allergrößte.“
Als die olympische Vielseitigkeit am vergangenen Samstag begann, standen mehr als 73 Pferde auf der Startliste – zum entscheidenden Springen um die Mannschaftsmedaillen waren es gestern noch 57. In der Szene wertet man dies als ein Zeichen dafür, dass sich die massiven Befürchtungen, Hongkong könnte wegen seines Klimas zu einer Tortur für die Pferde werden, als unbegründet erwiesen haben. „Natürlich haben unsere Pferde in diesen Tagen Kräfte gelassen“, sagte Andreas Dibowski, „aber wir waren durch unsere beiden Bundestrainer Hans Melzer und Chris Bartle so perfekt vorbereitet, dass dieser Erfolg möglich wurde, der ein Erfolg unseres ganzen Teams ist.“
Erst das Mannschaftsgold, dann das Einzelgold für Hinrich Romeike: zweimal hatte die große deutsche Reitermannschaft mit allen ihren Helfern gestern Abend allen Grund, zu jubeln und sich zu freuen. Zu den ersten Gratulanten zählte das frühere Teammitglied Bettina Hoy, die wegen ihres verletzten Pferdes in Hongkong nicht starten konnte – Andreas Dibowski rückte für sie nach und trug wesentlich zum Gewinn des Teamgoldes bei. Zu den Gratulanten gehörten aber auch Meredith Michaels-Beerbaum, Ludger Beerbaum und Paul Schockemöhle.
Er sagte: „Es ist phantastisch, was die Buschreiter hier vier Jahre nach der ganzen Sache von Athen geleistet haben.“ Erst zweimal hatten die deutschen Militaryreiter bei Olympia Gold gewonnen: 1936 in Berlin und 1988 in Seoul. Gestern schafften Frank Ostholt, Andreas Dibowski, Ingrid Klimke, Hinrich Romeike und Peter Thomsen den dritten Erfolg. In der Schlussphase wurde ihr Teamspringen zu einer Zitterpartie, bei der auch die Australier Federn lassen mussten und nicht ohne Abwürfe ins Ziel kamen.
Megan Jones, Lucinda und Clayton Fredericks, Sonja Johnson sowie Shane Rose mussten mit einem Rückstand von 166,10 zu 171,20 Minuspunkten den verdienten Sieg des deutschen Quintetts anerkennen.
Heute Abend beginnt an gleicher Stelle der mit Spannung erwartete Wettkampf der Dressurreiter mit dem Start von Heike Kemmer auf Bonaparte; morgen im zweiten Teil folgen Nadine Capellmann mit Elvis und Isabell Werth mit Satchmo. Die Auslosung der Startfolge hat den Titelverteidigern einen psychologisch wichtigen Vorteil beschert: Die Niederländer müssen als erste aufs Viereck – die Deutschen können sie gut beobachten. Ihr Ziel: „Wir wollen dasselbe schaffen, das unsere Buschreiter geschafft haben“, sagte Isabell Werth am späten Abend selbstbewusst.