Die deutschen Pferdefreunde atmen hörbar auf und schnaufen ganz tief durch: Andre Thieme auf Chakaria, Daniel Deusser auf Killer Queen und Maurice Tebbel auf Don Diarado starten morgen, am Schlusstag der olympischen Reiterspiele im Mannschaftsspringen um die Medaillen. Mit nur vier Zeitfehlern aber keinem Abwurf zieht Otto Beckers Trio sicher in dieses Finale ein.

Das nährt in der Heimat neue Hoffnung auf eine Medaille, nachdem die Einzelentscheidung am Mittwoch nicht nach Wunsch verlaufen ist. Kompliment für diese drei starken Parcoursrunden – gleichwohl bleibt festzuhalten: Außer dem Startplatz morgen ist noch nichts erreicht – auch nicht für die Konkurrenz.

Allerdings bleibt festzuhalten: Die bärenstarken Schweden mit Silbermedaillengewinner Peter Fredricson und All In, Henrik von Eckermann mit King Edward und Malin Baryard-Johnsson auf India zeigten heute drei Nullrunden vom Allerfeinsten – an ihnen führt morgen kein Weg vorbei zur Goldmedaille. Mit ebenfalls vier Punkten – wie die Deutschen – ziehen die von Peter Weinberg einmal mehr glänzend gecoachten Belgier ins Finale ein.

Die vom Einzelfinale bitter enttäuschten Schweizer rissen sich gewaltig am Riemen, hatten mit ihrem Debütanten Bryan Balsiger einen starken Helfer. Einzig Steve Guerdat schwächelte ein wenig, leistete sich zwei auf Venard zwei Abwürfe. Gleichwohl, auch die Eidgenossen sind immer für eine Medaille gut.

Die US-Equipe machte es heute wieder etwas spannend: Jesica Springsteen, McLain Ward und Laura Kraut brachten jeweils einen Abwurf mit ins Ziel – man hat den Eindruck, dass sie, weshalb auch immer, bei diesen Spielen in Tokio heftig kämpfen müssen, aber keine Kontinuität und Sicherheit erreichen.

Kämpfen mussten durchaus auch die Franzosen, Olympiasieger von Rio 2016, die nur keine Nullrunde zustande brachten. Auch die favorisierten Briten taten sich schwerer als erwartet, nachdem Scott Brash nicht mehr zur Verfügung steht. Olympiasieger Ben Maher musste mit Explosion, dem besten Pferd dieser Spiele, einen Abwurf hinnehmen. Vielleicht macht sich da doch etwas Müdigkeit bemerkbar nach den souveränen, aber doch schweren zwei Runden in der Einzelentscheidung.

Unerwartet viele Mühe hatte Rodrigo Pessoa, der Olympiasieger von 2004, im Sattel von Carlito’s Way für Brasilien. Eine Verweigerung an der schlanken, steilen Mauer – das hat man von Rodrigo lange nicht mehr gesehen. 20 Punkte, davon vier Zeitfehler – trotzdem reichte es ihm und seinen Kameraden mit Platz acht heute und 25 Fehlern ins morgige Finale.

Schwer taten sich auch die Niederländer, denen die Gefahr droht, diese Spiele 2021 ohne Medaille im Reiten abzuschließen – 26 Strafpunkte und als Neunte knapp im Finale. Nur ein Pünktchen dahinter auf Rang zehn: die Argentinier vor den Ägyptern mit 29 Zählern.

Nicht mehr dabei sind die von Paul Schockemöhle zunächst so stark und gut eingestellten Japaner, die nach allerhand Problemen aufgeben mussten, ebenso die Iren, die Israelis, die Mexikaner und die Neuseeländer. China, Marokko und Tschechien blieben gleichfalls auf der Strecke. Einigen der Reiter aus diesen Teams sah man an, dass die von Santiago Varela gestellte Aufgabe an der Grenze ihrer Möglichkeiten lag.

Eine kritische Anmerkung zum Reglement möchte ich mir erlauben, ehe der Wettkampf morgen entschieden ist: Die neuen Regeln fürs olympische Springturnier überzeugen mich nicht, weder die geänderte Reihenfolge, also erst das Einzel, dass der Nationenpreis.

Auch die heutige Qualifikation zeigt deutlich die Widersprüche und die Denkfehler: Drei Schweden zeigen drei herausragende Nullrunden, für mich eine Werbung für den Springsport – damit erreichen die drei aber nicht mehr als die braven Argentinier, die mit 27 Strafpunkten das gleiche schaffen, nämlich „nur“ den Einzug ins Finale. Man kann ja nur hoffen, dass die neuen Regeln nach den Spielen selbstkritisch analysiert und auf den Prüfstand gestellt werden. Ich meine, diese Regeln müssen bis zu den Spielen von Paris 2024 vom Kopf auf die Füße gestellt werden.