Unerlaubtes Gel bei Cöster angewandt – Von Olympia suspendiert – Drei weitere Reiter ausgeschlossen
Die Olympischen Reiterspiele in Sah Tin haben ihren Skandal. Christan Ahlmann aus Marl und weitere drei weitere Springreiter wurden mit sofortiger Wirkung suspendiert. Die Vorwürfe gegen sie reichen von unerlaubter Medikation, Doping und sogar Tierquälerei.
Über Hongkong werden heute die Ausläufer eines Taifuns erwartet – der Taifun über Christian Ahlmann, einen der besten Springreiter der Welt, ist bereits gestern hinweggefegt. Die Nachricht des deutschen Reiterverbandes (FN) und des Weltverbandes (FEI) lautet: „Am 17. August, nach dem ersten Umlauf des Nationenpreises, ist das Pferd Cöster von Christian Ahlmann durch Entnahme von Blut und Urin auf verbotene Substanzen getestet worden. Es wurde in der A-Probe eine Substanz festgestellt, die als verbotene Medikation gilt. Die Kontrolle der B-Probe steht noch aus.“
Danach habe es, so erklärte Reinhardt Wendt, der Chef der deutschen Reitermannschaft, eine Anhörung des Reiters vor dem FEI-Tribunal gegeben. Christian Ahlmann habe erklärt: „Für mich besteht nicht genug Zeit, um aufzuklären, was mir vorgeworfen wird.“ Vor seiner Stellungnahme wolle der das Ergebnis der B-Probe abwarten, die am heutigen Freitag im Beisein des deutschen Teamtierarztes Björn Nolting im Labor des Hongkong Jockey Club geöffnet wird und deren Untersuchung drei Tage dauern wird.
Reinhardt Wendt, stellvertretender Generalsekretär der Warendorfer FN, erklärte gestern gegen 16.15 Uhr Ortszeit vor Journalisten in Sha Tin: „Christian Ahlmann ist in der Nacht zum Freitag mit sofortiger Wirkung aus der deutschen Olympiamannschaft ausgeschlossen worden, er hat Hongkong bereits verlassen. Weitere Konsequenzen stehen aus.“ Ahlmann müsse mit einem Verfahren des Weltverbandes und mit einem Verfahren des deutschen Reiterverbandes rechnen.
Björn Nolting, der deutsche Teamtierarzt, sagte in einem Pressegespräch: „Ich bin fassungslos. Ich hatte fest daran geglaubt, dass wir vier Jahre nach dem Verlust der Goldmedaille von Athen durch eine unerlaubte Salbe für den Hengst Goldfever nie wieder so etwas erleben.“ Das Mittel, dessen Anwendung Christian Ahlmann zur Last gelegt wird, charakterisierte Nolting so:
„Es handelt sich um ein Gel, das Substanzen des Chilipfeffers enthält. Das Gel wird verwendet, um die Durchblutung der Muskeln zu fördern, etwa nach großen Anstrengungen.“
Christian Ahlmann habe ihm gegenüber jedoch die Anwendung dieses Mittels zu keinem Zeitpunkt angezeigt, obwohl es lange im Vorfeld der Spiele konkrete Abmachungen mit den Reitern gegeben habe: „Alle haben ein Revers unterschrieben, dass sie keinerlei Medikamente verabreichen, ohne vorher mit mir als Teamarzt zu sprechen und mich über alles zu informieren.“
Auf Nachfrage präzisierte Björn Nolting die praktische Anwendung des Mittels Capsaicin: „Das Gel kann auf zweierlei Weise verwendet werden. Wenn die Muskeln des Pferdes damit eingerieben worden sein sollen, gilt es ,nur’ als unerlaubte Medikation. Sollten die Pferdebeine eingerieben worden sein, um sie zu sensibilisieren – also das „Blistern“ des hochempfindlichen Kronrandes unmittelbar oberhalb der Hufe, um beim Anstoßen an Hindernisstangen Schmerzen auszulösen – ist es Doping und wird entsprechend geahndet.“
Bei dem Gel handle es sich „um eine flüchtige Substanz“, die nicht lange nachgewiesen werden könne. Das unerlaubte Sensibilisieren der Pferdebeine ist in früheren Jahren in Deutschland bereits als Tierquälerei eingestuft und entsprechend bestraft worden.
Reinhardt Wendt sagte im Namen des deutschen Reiterverbandes: „Das ist ein Desaster für das olympische Reitturnier und ein Desaster für den deutschen Reiterverband und seine Olympiamannschaft. Allerdings kennen wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht alle Einzelheiten über den gesamten Vorgang. Wir wissen beispielsweise nicht, wie hoch die Konzentration des Mittels war, die man nachgewiesen hat.“
Peter Hofmann aus Mannheim, der Vorsitzende des deutschen Springausschusses und Ausrichter der traditionellen Maimarktturniere, erklärte: „Ich bin fassungslos, dass wir heute, vier Jahre nach den Vorkommnissen von Athen, wieder dort stehen, wo dir damals standen. Sollte sich heute auch noch herausstellen, dass neben Christian Ahlmann weitere internationale Springreiter vom Einzelfinale ausgeschlossen werden – das wäre der Supergau für unseren Springsport.
Für diesen Fall müssten wir ernsthaft damit rechnen, dass das Internationale Olympische Komitee die Existenzfrage für den Pferdesport im olympischen Programm auf die Tagesordnung setzt.“ Hanfried Haring, der Generalsekretär der FN, sagte: „Jetzt muss der Weltverband alles daransetzen, die Dinge so rasch wie möglich aufzuklären.“
Um 17.30 Uhr Ortszeit, zwei Stunden vor Beginn des olympischen Einzelfinales, hat der Weltverband FEI in Sha Tin eine schriftliche Erklärung abgegeben. Darin heißt es: „Bernardo Alves aus Brasilien mit Chupa Chup, Christian Ahlmann aus Deutschland mit Cöster, Denis Lynch aus Irland mit Lantinus und Tony Andre Hansen aus Norwegen mit Camiro werden wegen der unerlaubten Verwendung des Mittels Capsaicin vom Einzelfinale ausgeschlossen und suspendiert.“ Nach den Untersuchungen der B-Proben werde der Weltverband weitere Entscheidungen treffen.
Dabei werde es auch darum gehen, mögliche Veränderungen in den Ergebnissen der olympischen Wettbewerbe vorzunehmen. Die wichtigste Konsequenz könnte sein: Die Springreiterequipe aus Norwegen, deren Kopf Tony Andre Hansen in seiner Heimat auch als Popmusiker populär ist, würde ihre Bronzemedaille aus dem Mannschaftsspringen an die Schweizer verlieren.
Wenig später erklärte Alexander Mclin, der neue Generalsekretär der FEI, vor der Presse: „Die vier suspendierten Reiter haben bei ihrer Anhörung keine Erklärungen abgegeben.“ Auf die Frage, weshalb die Reiter bereits vor der Öffnung der B-Probe disqualifiziert werden konnten, erinnerte Mclin antwortete der Generalsekretär:
„Zur Bekämpfung des Doping haben wir eine neue Regel beschlossen, die besagt: Bei einer positiven A-Probe wird der Reiter sofort von der weiteren Teilnahme ausgeschlossen.“
Außerdem teilten die FEI-Tierärzte mit: „In der olympischen Vielseitigkeit wurden 20 Pferde getestet, ohne Befund. In der Dressur ebenfalls – alle ohne Befund. Im Springen waren es bisher 15 – vier mit den beschriebenen Folgen.“ Erstaunlich sei die Tatsache, dass es sich bei allen vier Pferden um das selbe Mittel handle. „Wir wissen nicht, ob es sich dabei um einen Trend handelt“, sagte der FEI-Tierarzt Paul Farrington. Es sei „verwunderlich, dass dieses Mittel plötzlich wieder auftaucht, nachdem wir es seit den siebziger und achtziger Jahren nicht mehr vorgefunden haben.“