Am 19. und 20. Juli habe ich als einer der ersten über die kritische Denkschrift des Rechnungshofes von Baden-Württemberg an die Adresse des Haupt- und Landgestüts in Marbach auf der Alb berichtet. Während der WM in Herning hat Astrid von Velsen-Zerweck, die Landoberstallmeisterin, im Gespräch mit dem in Tübingen erscheinenden „Schwäbischen Tagblatt“ zu den Vorhaltungen und Forderungen der Rechungsprüfer ausführlich Stellung genommen. Ich fasse hier und heute die wesentlichen Aussagen der Gestütschefin zusammen. 

Vorwurf 1: Beim Gestüt fehlen betriebswirtschaftliche Steuerungselemente. Antwort: „Das stimmt so einfach nicht!“ Sie habe 2007 die Leitung in Marbach übernommen und ein maßgeschneidertes System vorgefunden. Dann habe man die gesamte Buchhaltung der Landesverwaltung auf SAP umgestellt. „Für unseren Betrieb ist dieses kamerale System aber nicht passend. Die Kostenleistungsrechnung ist derzeit im Testlauf, ab 2023 dann regulär.“ Bis dahin arbeite man auf den weit außerhalb liegenden Stationen „weiterhin händisch“ – das bedeute aber nicht, „dass wir keinen Überblick hätten“.

Vorwurf 2: Das Gestüt hat zu viele Pferde, der Tierbestand sollte deutlich reduziert werden. Antwort: „Das kann man so oder so sehen. Unsere Hauptaufgabe ist die Förderung der Landespferdezucht. Dazu halten wir eigene Tiere, Pachthengste sowie Pensionstiere aus privatem Besitz, die in Marbach aufwachsen. Diese Dienstleistung ist wirtschaftlich. Die Pensionspferde machen rund die Hälfte unserer Pferde aus. Den gestütseigenen Pferdebestand hinterfragen wir immer wieder und wägen die Aufgabenstellung und den Personalbestand gegeneinander ab.“

Für die Erhaltung der vom Aussterben bedrohten Schwärzwälder Füchse beispielsweise würden sieben Hengstlinien benötigt. „Wir im Landgestüt brauchen eine gewisse Bandbreite zur Auswahl. Wegen eines einzigen Deckhengstes kommt kein Züchter zu uns.“ Gegenwärtig besitze Marbach 14 eigene Warmbluthengste, dazu jeweils fünf Araber und fünf Altwürttemberger sowie 20 Schwarzwälder Füchse. Wir denken immer darüber nach, ob wir Hengste verkaufen, wenn die nachgefragt werden.“

Vorwurf 3: Die eigene Vorgabe, drei der sechs Servicestationen (früher Deckstationen) zu schließen, weil sie unrentabel sind, wurde nicht umgesetzt. Antwort: „Das Netz der Deckstellen war früher viel größer. Unsere Stationen erfüllen neben dem reinen Deckgeschäft auch beratende Aufgaben für die Züchter in den Regionen des Landes. Wir überprüfen jedes Jahr, wie viele Stuten auf den Deckstationen gedeckt werden. Mindestens 50 pro Jahr sollten es schon sein. In meiner Amtszeit haben wir drei Stationen geschlossen, gegenwärtig betreiben wir nur noch vier.“

Vorwurf 4: Die 40 Millionen Euro zur Sanierung der Gebäude sind überdimensioniert. Antwort: „Unsere neuesten Gebäude stammen aus den siebziger Jahren, seither ist nicht viel investiert worden.“ Dabei müssten auch viele Gebäude, die unter Denkmalschutz stehen, in Schuss gehalten werden. Kein Unternehmen könne mit so einem Sanierungs- und Investitionsstau arbeiten. „Deshalb waren wir glücklich über die Zusage von Landwirtschaftsminister Peter Hauk, dass dem Land das Gestüt wichtig sei und man dafür Geld in die Hand nehme“.

2008 habe man mit dem Amt für Vermögen und Bau in Tübingen einen Masterplan aufgestellt, fortgeschrieben bis 2018: „Zwischen 2023 und 2029 sind vier Bauabschnitte zu jeweils 10 Millionen Euro angesetzt. „Zunächst wird unsere Arena für die Hengstparaden, die auch als Trainingsplatz benutzt wird, saniert. Zuvor brauchen wir einen Trainingsplatz zum Ausweichen. Das alles ist keineswegs überdimensioniert.“

Vorwurf 5: Der Rechnungshof hält auch die geplanten Investitionen in den Pferdesport für überdimensioniert. Antwort: „Marbach dient als Pferdezentrum für ganz Baden-Württemberg und darüber hinaus. Der Sport spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Zucht, die Ausbildung und die Angebote für unsere Besucher.“ Das Gestüt müsse mit der Zeit gehen: „Der Sport mit den Pferden ist nun mal Springen, Dressur und Gelände mit Warmblutpferden – und nicht das Holzrücken!“ Und dabei müsse das Gestüt „mindestens so gut sein wie die privaten Reiter.“ Den Vorwurf der einseitigen Förderung des Turniersports weise sie zurück.

Wie geht’s weiter? Die Gestütschefin sagt: „Das wird jetzt seinen behördlichen Gang gehen mit einer Empfehlung an den Finanzausschuss des Landtags. Ich weiß nicht, ob wir um das Geld für die Investitionen bangen müssen.“ Den ersten Bauabschnitt werde es wohl nicht so hart treffen, da dieser bereits geplant sei und dem Training, dem Tierschutz und dem Denkmalschutz diene. „Aber wir wissen, dass Krise herrscht. Schade, dass die Umsetzung des Masterplanes in diese Zeit fällt. Uns ist klar, dass nicht alles gehen wird, was geplant ist. Da wird einiges hinterfragt werden.“

Soweit die wesentlichen Stichworte des Gesprächs mit dem „Schwäbischen Tagblatt“. Hinzu kommt, dass die selbsternannte Tierschutzorganisation PETA die Denkschrift der Rechnungsprüfer des Landes erwartungsgemäß dazu genutzt hat, einmal mehr öffentlich Front zu machen gegen jegliche Art des Sports mit den Pferden. Man wendet sich polemisch gegen die aktuelle Ausrichtung des vor mehr als 500 Jahren erstmals urkundlich erwähnten Marbacher Gestüts im Lautertal. In Wirklichkeit geht’s PETA nicht um eine differenzierte Sicht der Dinge, sondern um Spenden, Spenden, Spenden! Ich meine, diese Haltung kommentiert sich selbst!

Und schließlich noch etwas: Die Aufgaben der Rechnungsprüfer auf allen staatlichen Ebenen sind richtig und wichtig. Sie arbeiten im stetigen Spannungsfeld zwischen der Politik, also den gewählten Volksvertretern, und der allgemeinen Pflicht zum korrekten und nachvollziehbaren Umgang der öffentlichen Verwaltung mit den Steuergeldern. Erfahrungsgemäß trifft man sich am Ende in der Mitte, also in einem vernünftigen Kompromiss.

Aktuell sehe ich allerdings die Gefahr, dass man in den Amtsstuben des Landes versucht, das mehr als 500 Jahre alte Haupt- und Landgestüt kaputtzusparen. Was die Rechungsprüfer gar nicht angeführt haben: Seit Jahren gibt’s in Marbach einen kontinuierliche Personalabbau. Gehen Gestütswärter in Pension, werden ihre Stellen gestrichen – ein schleichender Verlust von persönlichem Engagement und unverzichtbarer Sachkunde. Bleibt zu hoffen, dass sich Minister Peter Hauk bald an die Spitze derjenigen stellt, die nicht dazu bereit sind, Marbach einer populistischen Tagespolitik zu opfern!