Die Weltreiterspiele von Aachen im Jahr 2006 gelten als die einzigen, deren ökonomische Bilanz mit schwarzen Zahlen endete. Glanzvolle Tage, an denen die deutschen Buschreiter über sich hinauswuchsen: der erste WM-Titel für ein deutsches Quartett! Vier Jahre später bei der zweiten WM nach 1978 in Lexington glänzte der Schwabe Michael Jung auf dem Württemberger Wallach Sam – der Beginn seiner Weltkarriere.

Wo anfangen und wo aufhören? Die Reiterspiele in der Soers waren das Nonplusultra. Mehr als 350 000 Besucher kamen, das Fernsehen berichtete quasi rund um die Uhr. Die Medien hatten fast zwei Wochen lang den Sport mit den Pferden im Fokus. Es war, historisch betrachtet, gewiss der Höhepunkt aller Weltreiterspiele. Unter dem Jubel ihrer Fans, getragen von einer Woge des Wohlwollens und der hohen Erartungen, holten Frank Ostholt auf Air Jordan, Hinrich Romeike auf Marius, Bettina Hoy auf Ringwood Cocatoo und Ingrid Klimke auf Sleep Late den ersten WM-Titel für Deutschland. Unser Team hatte am Ende 156 Punkte, die Briten 180 Punkte und die Australier 197 Punkte – also eine klare Angelegenheit.

In der Einzelwertung glänzte Sahra Phillips, die Lieblingsenkeltochter der dieser Tage verstorbenen Queen – mit ihrem Toy Town ließ sie den 78 Konkurrenten keine Chance. Ihr Vater Mark Phillips und ihre Mutter Prinzessin Anne waren in die Soers gekommen, um ihre Tochter zu unterstützen. Silber ging an den Australier Clayton Fredericks auf Ben Along Time vor Amy Tryon aus den USA auf Poggio. Frank Ostholt und sein Air Jordan verfehlten die Bronzemedaille nur um 0,3 Punkte. Schade. Hinrich Romeike wurde fünfter, Bettina Hoy, anfänglich auf Medaillenkurs, wurde sechste, Ingrid Klimke leider nur 34.

Kein Zweifel, Aachen 2006 war quasi die Geburtsstunde deutscher Erfolge in der Vielseitigkeit – der Begriff Military war in der Versenkung verschwunden, das Format auf einen schweren, aber reitbaren Geländeritt reduziert. 2008 in Hongkong holte Hinrich Romeike Olympiagold, das Team ebenfalls. Unter der Ägide von Hans Melzer und Chris Bartle stiegen die deutschen Buschreiter zu einer Macht auf.

2010 richteten die Amerikaner im Kentucky Horse Park die zweite WM nach 1978 aus. Die Weltreiterspiele im Pferdeland Kentucky forderten ihnen alles ab. Später hieß es, die Spiele hätten aus blankem Geldmangel kurz vor dem Abbruch gestanden. Davon waren Michael Jung und sein brauner La Biosthetique Sam meilenweit entfernt: Mit 33 Punkten aus der Dressur sowie fehlerlosen Ritten im Gelände und im Parcours holte der Mann aus Horb am Neckar souverän den ersten WM-Einzeltitel für Deutschland. Bei der Siegerehrung wurde der Mann mit der Jockeyfigur eingerahmt vom baumlangen William Fox-Pitt, dem Briten, und Andrew Nicholson aus Neuseeland.

Fox-Pitt sagte anerkennend: „Erst kommt Michael, dann kommt lange nichts!“ Fox-Pitt bekam Silber mit 42 Punkten, Nicholson Bronze mit 43,5 Punkten. Ingrid Klimke mit Abraxas wurde 13., Frank Ostholt mit Mr. Medicott 21. und Andreas Dibowski mit Butts Leon 46. Dirk Schrade und Simone Deitermann schieden aus. Unterm Strich gab’s für unser Team Rang fünf, was gerade noch die Qualifikation für die Spiele von London brachte. Dort wiederum gewann Michael Jung mit Sam sein erstes Einzelgold, das von Melzer und Bartle glänzend eingestellte Team holte ebenfalls Gold.

Ein deutscher Triumph wurden auch die Weltreiterspiele 2014 in Caen in der Normandie. Darüber und über Tryon 2018 in meiner nächsten kurzen Rückschau