Bundestrainer Peter Thomsen ist voll des Lobes: „Ich bin heute begeistert: von meinen Aktiven, vom Geländekurs und vom Boden. Ich fand es einfach Spitze!“ Dieter Aldinger, der Vorsitzende der veranstaltenden IGV (Interessengemeinschaft Vielseitigkeit, ist sichtlich unzufrieden: „Wir haben leider zu wenige Nennungen, nicht nur in der Vier-Sterne-Prüfung, sondern vor allem in den Zwei-Sterne-Touren.“ Die Gründe dafür kenne er nicht, man müsse sie in der Analyse ergründen. Und der Sport? Michael Jung kann morgen zum neunten Male deutscher Champion der Berufsreiter werden. 

Wer die Schwäbische Alb kennt, der weiß: Man braucht die Sonnencreme und die warmen Sachen. Das Haupt- und Landgestüt im Lautertal liegt nun mal um die 700 Meter über dem Meer. Als ich heute am Vormittag hingefahren bin, ich wohne in Stuttgart auf exakt 428 Metern Höhe, zeigte der Temperaturmesser im Auto lediglich zehn Grad, oben am alten Schafstall waren’s dann nur noch acht Grad. Es war saukalt – ich hatte die dicke warme Jacke nicht mitgenommen, selbst schuld. Trotz alledem: An die 5000 Besucher kamen zur 37. Vielseitigkeit auf die raukalte Alb. Das 1514 erstmals urkundlich erwähnte Staatsgestüt hat einen unverwüstlichen Namen. Das erinnert mich an den alten, von Elly Heuss-Knapp erdachten Werbespruch: Persil bleibt Persil!

Bevor wir direkt zum Sport kommen, hier zwei wichtige Fakten, genannt vom Bundestrainer: „Die Vorbereitung auf die EM im August in Haras du Pin führt über die Qualifikationen von Marbach und Baborowko, nächste Woche. Sodann haben die Reiter die Wahl zwischen Aachen und Luhmühlen.“ Nachsatz von mir: Kommendes Wochenende im polnische Baborowko liegt die Dotierung bei 100 000 Euro. Noch Fragen?

Schauen wir zunächst auf die Vier-Sterne-Prüfung mit ihrem Geländeritt über 3648 Meter und 34 Sprüngen; der neue Geländeaufbauer Bernd Backhaus hatte, so wörtlich, „zur Sicherheit und weil der Boden dort nicht optimal war“, den Sprung 20c, also in einer Kombination, kurz vor Beginn, herausgenommen. Michael Jung, der Topfavorit, machte es so ähnlich wie vor einem Jahr: „Ich bin super zufrieden, habe heute nicht gegen die Uhr geritten.“ Nach der Dressur mit Bestnote 24,3 Punkten ließ es der Reitmeister locker angehen, nahm 6,4 Punkte wegen Zeitüberschreitung lässig in Kauf, liegt mit seinem Chipmunk mit 30,7 Zählern an der Spitze. Sein zweites Pferd, den Iren Kilcandra Ocean Power, Rang zwei in der Dressur mit 26,9, nahm Jung nach der Hälfte des Kurses heraus. Der soll nächste Woche in Polen antreten – die Alb diente ihm nur zum Warmlaufen.

Auf Rang zwei, frisch eingeflogen aus Badminton, liegt Felix Vogg, einst ein Schüler von Michael Jung, mit seinem Franzosen Dao e l’Ocean, jetzt 32,4 Punkten. Die beiden waren Dritte nach der Dressur mit 28,8 nahmen im Gelände 3,6 Strafpunkte in Kauf. Kein einziges Pferd kam innerhalb der verlangten Zeit ins Ziel. Von den gestarteten 46 Konkurrenten sehen wir noch 35 in der Wertung. Sechs Reiter gaben im Busch auf, einer wurde disqualifiziert, vier Pferde wurden vor dem Gelände zurückgezogen.

Eine Demonstration von feinstem Reiten bot einmal mehr Julia Krajewski, die ihre elegante französische Stute Ero de Cantraie behutsam durchs Gelände steuerte, 2,8 Strafpunkte ins Ziel brachte – nicht der Rede wert. Schaut man auf das Tableau für die DM der Berufsreiter, so zeigt sich: Michael Jung führt mit, wie gesagt, 30,7 Punkten, Julia liegt auf Rang zwei mit 35,4, dahinter Nicolai Aldinger mit 38,6, Johanna Marloh mit 40,1 und Hanna Knüppel mit 45,3. Mehr zeigt die Tabelle nicht. Wo, so muss die Frage lauten, sind eigentlich die Berufsreiter, die fähig sind, an ihrer deutschen Meisterschaft teilzunehmen mit einigermaßen Aussicht auf Erfolg?

Zum zweiten Male in Marbach zeigte sich Malin Hansen-Hotopp aus dem Olympiakader, die mit Carlitos Quiddich K und 35,1 auf Platz drei rangiert. Ihr Kommentar: „Es macht großen Spaß, hier zu reiten. Es ist ein toller Kurs. Vielen Dank an alle. Ich hab‘ heute Rücksicht genommen auf den Boden, habe gar nicht auf die Zeit geachtet.“

Schließlich aktuell zum Schluss: Sarah Algotsson-Ostholt führt mit Dinathia die Zwei-Sterne-Prüfung  an (30,0) vor Andrew Hoy mit Cadet de Beliard (30,2) und Katharina Woodland mit Ebony (33,2). Die knappen Zahlen zeigen, dass da noch gar nichts entschieden ist. Die zweite Zwei-Sterne-Prüfung ist aktuell noch nicht zu ende. Etwas Positives als letzte Bemerkung: Tierarzt Tissi Baumann aus Bayern, Mannschafts-Olympiasieger von Seoul 1988, lobte die Marbacher Atmosphäre, freute sich, dass er diesen Geländeritt genießen konnte, ohne eingreifen zu müssen. Wie heißt es so schön: Wenn am Abend alle Pferde gesund im Stall stehen, war es ein guter Tag.

Apropos Andrew Hoy: Die 64-jährige Reiterlegende aus der Nähe von Leicester gab im Sattel seines Bloom des Haut Crets, nachdem der ihn am Wasser fast aus dem Sattel geworfen hätte. Trotzdem bleibt Andrew ein Marbach-Fan.

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