Mit der Geschichte ist es ja so eine Sache. Nix genaues weiß man nicht. Die einst handelnden Personen sind längst gestorben, vieles weiß man nur noch vom Hörensagen. Archive, in denen man stöbern könnte, hat niemand angelegt. So ein wenig geschichtslos ist man durch die Zeitläufte gestolpert. Also hält man die Historie möglichst in der Schwebe. Aber das Feiern lässt man sich natürlich nicht vermiesen. Etwa in Frankfurt: Dort feiert man an diesem Wochenende den 50. Turniergeburtstag.

Um zu klären, was es mit diesem 50. Turniergeburtstag so auf sich hat, halten wir uns an die offizielle Lesart. Zitat: „1955 fiel der pferdesportliche Startschuss nach dem Krieg in der Frankfurter Festhalle. Mit dem Initiator Josef Neckermann, einem Budget von 800 D-Mark, einem Reitboden auf 80 000 Lehmziegeln und 138 Teilnehmern. 2023 feiert das Festhallen Reitturnier seinen 50. Geburtstag mit Turnierchef Matthias Rath, einem Etat von 2,3 Millionen Euro, einem Reitboden, der sich auf 2000 Spezialmatten aufbaut und mit 95 nationalen und internationalen Teilnehmern.“

Daran schließt sich sogleich an, woran sich Ann Kathrin Linsenhoff persönlich erinnern kann: „Der Frankfurter Reit- und Fahrclub hat die Turniere um die Jahrhundertwende 1900 herum veranstaltet, damals noch im Hippodrom in Sachsenhausen. Es fasste etwa 3000 Zuschauer. Das wurde bald zu klein. 1934 fand das erste Reitturnier hier in der Festhalle statt, 1955 das erste nach dem Zweiten Weltkrieg.   Josef Neckermann hatte es initiiert, meine Mutter war von Anfang an in die Organisation involviert. Sie war auch gleich beim ersten Nachkriegsturnier mit am Start und mit ihr die gesamte Dressurelite.“ Seit 1989 habe dieses Turnier seinen festen Platz in der Vorweihnachtszeit.

Und noch was zur Frankfurter Lokalgeschichte: Von 1907 bis 1909 dauerte der Bau der Festhalle auf dem Areal der weltbekannten Frankfurter Messe. Seine markante Kuppel ist 40 Meter hoch; damals der größte Kuppelbau Europas. Am 19. Mai 1909 wurde sie feierlich eröffnet – Ehrengast war Kaiser Wilhelm II. 4880 Sitzplätze bietet die Halle, maximal 9800 Leute passen hinein. Beim Reiten natürlich nicht. Im Frankfurter Sprachgebrauch gilt die Festhalle als „Gudd Stubb“, also als gute Stube! So wie der Gürzenich in Köln, die Liederhalle in Stuttgart oder die Elbphilharmonie in Hamburg.

Von 1955 bis 1971 gab’s das neue Turnier in der Festhalle. Dann war Schluss für 17 lange Jahre. Von 1998 an ging’s hin und her, auf und ab. Kaspar Funke übernahm die Organisation, später Paul Schockemöhle.  Beide hatten sich überworfen. 2003 war die Veranstaltung gefährdet – wäre nicht Ann Kathrin Linsenhoff eingesprungen, wer weiß, was aus dem Turnier geworden wäre. Seit 2019 liegt es in den Händen der Familie Rath-Linsenhoff. 2020 und 2021 musste es wegen der Pandemie abgesagt werden. Nun scheint die Zukunft gesichert.

Wie man es genau berechnet, dass heuer das 50. Turnier stattfindet – ich kann es kaum nachvollziehen. Das allerdings ist auch nicht so wichtig. Denn mit diesem 50. hat man quasi einen historischen Merkstein platziert. Von nun an, so darf man hoffen, wird in der Frankfurter Festhalle die Tradition fortgesetzt und fortgeschrieben. Die Protagonisten bleiben unvergessen: Josef Neckermann, Liselott Linsenhoff und ihr Mann Fritz, deren Tochter Ann Kathrin, ihr Mann Klaus-Martin Rath und dessen Sohn Matthias Rath. Glückwunsch zum 50. Geburtstag!

Mehr Info unter www.festhallenreitturnier-frankfurt.com