Dieser Mann schämt sich seiner Tränen nicht. Juri Mansur, 44 Jahre alt, vom Pferdepfleger zum internationalen Topspringreiter gereift, feiert in dieser Nacht mit seiner Familie, Frau und Kindern sowie zwei Händen voller Freunde den größten Einzelerfolg seiner Karriere: Sieg im Preis von Europa in der gut besuchten Soers. 50 000 Euro Siegprämie und dazu diese historische Besonderheit: Es war der siebte Sieg in diesem Klassiker für Brasilien. Wirklich der siebte?

Wer der internationalen Springreiterei nahesteht und sie mit Spannung verfolgt, der ahnt natürlich, was jetzt kommt: 1957 haben die Aachener Turniermacher den „Preis von Europa“ kreiert – kein Wunder, steht die alte Kaiserstadt doch für die friedliche und leuchtende Idee eines geeinten Europa. Erster Sieger war Hans Günter Winkler auf der legendären Halla. Dann kam die Siegesserie von Nelson Pessoa auf verschiedenen Pferden: 1962, 1964, 1970 und – man glaubt es kaum- nochmal 1988. Sohn Rodrigo, der in diesem Jahr mal wieder in der Soers startet, siegte 1992 und 2002. Eine tolle Bilanz.

Dabei bleibt zu beachten, dass Juri Mansur aus bescheidenen Verhältnissen stammt, zunächst Pferdepfleger war, sich in seiner Heimat langsam aber sicher nach vorne ritt, später nach Europa kam, um hier eine Familie zu gründen und sich ganz der Reiterei zu widmen. Seine Stute Miss Blue-Saint zeigte all denen, die ein Auge dafür haben, dass sie ein Ausnahmepferd ist.

Und ihr Reiter besitzt im Sattel das Gefühl für Rhythmus und Tempo, dass man hat oder nicht hat, für den Zug nach vorne, für das auffällige Springermögen dieses Pferdes, von dem man in naher Zukunft gewiss noch hören wird. Die Angebote werden spätestens morgen im siebenstelligen Bereich angekommen sein. Hoffen wir mal, dass Yuri Mansur seine Stute noch eine Weile behalten kann – sagen wir mal: Mindestens bis Paris 2024.

Vor einer Stunde belegten die beiden Schweizer Edourad Schmitz auf Garmin (40 000 Euro) und Martin Fuchs auf Conner Jei (30 000 Euro) die Plätze. Bester deutscher war Gerrit Nieberg auf Blues Aveline (20 000 Euro) vor Richard Vogel auf dem Stuttgart-Sieger United Touch (14 000 Euro). Insgesamt lag die Dotierung bei 200 000 Euro. Vorjahressieger McLain Ward trat heuer nicht an. Er konzentriert sich ganz auf den Großen Preis am Sonntag, will nichts unversucht lassen, um die große Sonderprämie im Rahmen des Rolex Grand Slam zu gewinnen. Leicht wird‘ für ihn nicht.

Unterdessen hat Otto Becker am frühen Abend die Besetzung für den Preis der Nationen morgen Abend festgelegt: Gerrit Nieberg bleibt auf der Tribüne, kann sich und seinen Ben auf den Großen Preis konzentrieren, den er vor einem Jahr so sensationell gewonnen hat. Jana Wargers und Limbridge machen den Anfang, danach folgt Hans-Dieter Dreher mit Elysium, gefolgt Mario Stevens mit Starissa und Marcus Ehning mit seinem Stargold. Morgen, bevor es in der Soers losgeht, werfe ich einen Blick auf die Historie des Nationenpreises – auch ein interessantes Stück aus der Geschichte des Springsports.

Schönen Abend, wir sehen uns in der Soers.