Herzlichen Glückwunsch aus der Heimat! Otto Becker, unser Bundestrainer, hat seine Equipe aus Jörne Sprehe, Christian Kukuk, David Will und Christian Ahlmann zum Sieg bei der Premiere der neuen „Longines League of Nations“ geführt. In Abu Dhabi standen nach zwei Runden – die erste mit, die zweite ohne Streichresultate – nur acht Punkte zu Buche: Nach vier Nullrunden! Siegprämie 230 000 Euro. Es ist der zweite Triumpf für Otto Becker nach dem Sieg im Nationscupfinale 2023 in Barcelona. Ganz dickes Kompliment! Die Iren und die Schweden belegten die Plätze.

Otto Beckers Kommentar gegenüber dem FN-Pressedienst: „Es ist ein unglaubliches Gefühl. Das ganze Team war klasse, jeder hat eine Nullrunde. Das war eine großartige Leistung. Dass wir so einen tollen Start in die olympische Saison haben, freut mich natürlich ganz besonders.“ Und Christian Kukuk sagt: „Ich war sehr aufgeregt vor der zweiten Runde, aber in der hat Mumbai sein ganzes Potential ausgespielt. Es war ja für ihn das erste große Turnier nach dem erfolgreichen Cupfinale im September in Barcelona.“ Beide hatten, wie wir uns gut und gerne erinnern, zum deutschen Sieg beigetragen.

Der erste große Erfolg für die deutschen Springreiter am Beginn der olympischen Saison bringt sie nun ohne Zweifel in die Position eines Topfavoriten für Paris. Wie Otto Becker das analysiert und kommentiert werden wir gewiss später an diesem Sonntag erfahren. Die in der weltweiten Reiterszene mit höchster Spannung erwartete Premiere von Abu Dhabi verlief ein ganzes Stückweit erstaunlich – im guten wie im kritischen Sinne.

Den neuen Regeln folgend, traten zur ersten Runde elf Teams an – nur die besten acht zogen in die entscheidende zweite Runde ein. Wichtig zu wissen: In der ersten Runde galten noch die bewährten Streichresultate, in der zweiten Runde zählte jeder Ritt der verbliebenen drei Aktiven je Team. Am Ende des ersten Umlaufs sah die Reihenfolge so aus: Irland vor Schweden, Deutschland, Schweiz, Brasilien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Großbritannien und den USA. Für die Niederländer (13 Punkte), die favorisierten Franzosen (16) und die Belgier (16) war der Wettkampf bereits gelaufen – das Finale erlebten diese Teams auf der Tribüne.

In der enorm kurzen Pause zwischen den zwei Umläufen galt es für die acht Equipechefs, die drei Aktiven festzulegen für das Finale. Otto Becker und seine Reiter entschieden sich dafür, Christian Ahlmann und seinen 13-jährigen Blueberry zu schonen, obwohl die beiden eine Nullrunde beigetragen hatten. In einer ersten Stellungnahme sagte Otto Becker: „Christian hat Blueberry noch nicht lange. Und Christian sagte: „Es war heute erst sein erster schwerer Parcours über 1,60 Meter. Da wollten wir nach der Nullrunde nichts mehr riskieren.“ bei den Iren traf es Dennis Lynch und Cordial nach nur einem Abwurf. Für die Schweiz einigte man sich auf Pius Schwizer und Just Special, ebenfalls nach nur einem Abwurf.

In der entscheidenden zweiten Runde galt die Startliste in umgekehrter Reihenfolge – die US-Equipe zuerst, die bis dahin führenden Iren zuletzt. Nach der uralten Weisheit für den Erfolg im Nationenpreis agierten Otto Becker und seine Mannschaft: „Wenn du gewinnen willst, brauchts du so viele Nullrunden wie nur möglich!“ Jörne Sprehe, die 41-jährige Topreiterin aus Bayern, rechtfertigte ihre Nominierung durch zwei fehlerlose Umläufe. Chapeau! Christian Kukuk und sein Mumbai steuerten eine weitere Nullrunde bei – nach einem Abwurf zum Auftakt. David Will, der Sieger des Große Preises, zeigte zweimal starkes Reiten mit jeweils nur einem Fehler.

Die von Michael Blake geführten Iren (Richard Howley, Michael Pender und Mark McAuley) konnten ihr Niveau nicht halten, obschon Howley, der Weltcupsieger von Oslo und Helsinki, seine zweite Nullrunde schaffte. Aber zwei Abwürfe von Pender auf Calais sowie der eine Abwurf von McAuley führten unterm Strich zu zwölf Fehlern. Riesenjubel im deutschen Lager!

Auch für die von Henrik von Eckermann angeführten Schweden, Olympiasieger von Tokio und Weltmeister von Herning, wurde die neue Regel für den Finalumlauf quasi zu Verhängnis: Eckermann selbst glänzte auf seiner Iliana mit der zweiten fehlerfreien Runde. Aber Ex-Europameister Peder Fredricson auf Alcapone mit drei sowie Rolf-Göran Bengtsson auf Zuccero mit einem Abwurf mussten mit Platz drei zufrieden sein. Für die Iren mit 12 Punkten gab’s 145 000 Euro, für die Schweden mit 20 Punkten auf Platz drei 105 000 Euro.

Auf dem vierten Platz endeten die Brasilianer, immerhin mit Luciana Diniz, Yuri Mansur und Marlon Zanotelli. 20 Punkte und 70 000 Euro. Zanotelli enttäuschte völlig auf Grand Slam, gab im ersten Umlauf aus, trat zum zweiten natürlich nicht mehr an. Die Eidgenossen, mit hohen Ambitionen in den Orient gereist, musste auf Martin Fuchs und Steve Guerdat verzichten: Platz fünf und 42 000 Euro. Beste Akteurin mit zwei Nullrunden war Janika Sprunger auf Orelie! Chapeau! Ich wage an dieser Stelle mal eine mutige Ansage: Janika vertritt die Schweiz bei Olympia neben Fuchs und Guerdat!

Der US-Nationaltrainer Robert Ridland brachte heute in Abu Dhabi eine uns völlig unbekannte blutjunge Truppe an den Start: Hanna Sellek, Callie Schott, Aaron Vale und Alise Oken. Bei nur einer Nullrunde durch Vale mussten sie einiges Lehrgeld bezahlen, belegten Platz sechs, Prämie 31 000 Euro. Ähnlich erging’s der britischen Teamchefin Di Lampard mit Jo Stockdale, Skye Higgin, Jack und Donald  Whitaker. Rang sieben mit 36 Punkten, Prämie 21 000 Euro. Rang acht ohne jede Nullrunde für das Quartett der Emirate: 46 Fehler und 17 000 Euro Prämie.

Dass Niederländer und Belgier die zweite Runde verfehlten, vor allem aber dass die Franzosen es auch nicht schafften, ist überraschend: Für mich waren letztere die Favoriten – allerdings ohne ihre aktuelle Nummer eins Julie Epaillard. Auch die Niederländer hatten neben Jur Vrieling keinen Topreiter am Start. Peter Weinberg, der Coach der Belgier, konnte Gregory Wathelet einsetzen und Wilm Vermeer. Aber Koen Vereecke scheiterte mit seinem Lector im ersten Umgang.

Alles in allem: Nach der Premiere lässt sich das neue Reglement noch nicht abschließend beurteilen. Sicher aber ist soviel: Beileibe nicht alle elf Nationen haben ihre Besten nach Abu Dhabi geschickt. Das wird auch so sein, wenn es in Ocala/Florida um die nächste Runde geht. Die folgenden Stationen in St. Gallen und in Rotterdam werden gewiss die stärksten Felder sehen, denn wer zum 1.6 Millionen-Finale nach Barcelona möchte, der braucht Punkte, Punkte und nochmal Punkte. Und dies noch zum Schluss: Der Wegfall der Streichresultate in der zweiten Runde, steigert durchaus die Spannung, geht aber voll auf  Kosten der Pferde!