Seit dem Frühjahr 2012 reitet Daniel Deusser für den belgischen Turnier- und Handelsstall „Stephex Stables“. Stephan Conter, eingangs sein Chef, heute wohl mehr sein Geschäftspartner, hat sich mit folgendem Satz quasi unsterblich gemacht: „Wenn man einmal damit anfängt, Grand Prixs zu gewinnen und eine ernstzunehmende Größe zu werden, bekommt das Ganze einen Suchtfaktor.“ Gestern Abend haben die beiden ihre Sucht mal wieder befriedigt: Daniel siegte auf dem Hengst Bingo Ste Hermelle im wichtigen Auftaktspringen von Bordeaux. Siegprämie 17 500 Euro.

In der vom Weinbau geprägten Stadt Bordeaux ist alles etwas anders als anderswo. Das Weltcupspringen, die 13. von 14 Stationen der Saison 2022/23, findet bereits heute statt, Beginn um 20.30 Uhr. 38 Pferde auf der Startliste, etwas weniger als bei den bisherigen Qualifikationen. Womöglich ist da manch einem Pferd-Reiter-Paar bereits die Luft ausgegangen. Nur wer sich topfit fühlt und/oder die letzten Punkte braucht, um auf den Flieger zum Finale in den USA quasi aufzuspringen, tut sich das an.

Wir alle wissen: das Reiten im Parcours gegen beinharte Konkurrenz, das ist die eine Seite. Die andere Seite, womöglich noch wichtiger, ist das eigene Stallmanagement, will heißen: Nur wer einen klugen Plan hat, nur wer die Kräfte seiner Pferde genau kennt und sie danach einsetzt und schont – stets im Wechsel – nur der erringt überhaupt eine reelle Chance, am Ende den großen Erfolg und damit auch das große Geld mit nach Hause zu nehmen. Das Weltcupspringen heute Abend ist mit 215 000 Euro dotiert. Wenn ich nicht irre, gab’s nur in Basel mit über 300 000 Euro mehr.

Nach seinem Erfolg gestern Abend sagte Daniel Deusser: „Es ist eine große Freude wieder hier in Bordeaux zu sein. Es ist ein wunderbares Turnier! Ich habe den Eindruck, dass weitaus mehr Besucher kommen als früher – eine großartige Atmosphäre!“ Kein Wunder, denn seit 2019 hat’s auch in Bordeaux wie anderswo wegen der Pandemie kein Hallenturnier mehr gegeben. Der Sieger im Weltcupspringen 2019? Richtig, Daniel Deusser auf Tobago Z. Diesen 15-jährigen Hengst reitet er auch heute wieder.

Seinen flotten Sieg von gestern Abend kommentierte Daniel so: „Ich bin happy, das Turnier mit diesem Sieg begonnen zu haben. Mein Bingo ist wirklich sehr schnell. Ich war als vierter Starter mit 58,96 Sekunden deutlich schneller als Jur Vrieling auf Fiumicino mit 61,56 Sekunden. Allerdings kannst du als vierter Starter nie sicher sein – es kann immer jemand kommen, der noch schneller reitet.“ Es kam aber keiner. Lobend sei’s erwähnt: Michael Jung und Fischerchelsea brauchten fehlerfrei 65,93 Sekunden, was Rang neun bedeutete und 1060 Euro einbrachte.

Daniels Plan für heute Abend: „Ich hoffe, das wir das Stechen erreichen, dann werden wir sehen, was passiert.“ Michael Jung, übrigens Vierter im Indoor-Derby auf Kilcandra Ocean Power, hat keinen Startplatz im Weltcupspringen. Neben Daniel Deusser starten Marcus Ehning/Stargold, Christian Ahlmann/Solid Gold Z, Geritt Nieberg mit Blues d’Aveline CH und Hansi Dreher mit Cous Cous. Aber Achtung: Henrik von Eckermann hat seinen King Edward gemeldet. Für mich der Favorit.

Heute am späten Abend werden wir sehen, was uns die aktuelle Punkteliste auf dem Weg nach Omaha/Nebraska zeigt. Bleibt mir noch dies kritisch anzumerken: Der Auftakt zum Weltcupfinale der Wagenlenker ist auf 23.30 Uhr angesetzt. Warum mutet man den Pferden so etwas zu?