Ludger Beerbaum hat auf den letzten Drücker von seinem alte Freund Otto Becker einen Startplatz ergattert. Gut so! Vielleicht reitet der 59-Jährige ja zum letzten Male in der Soers. Nach jahrelanger Abwesenheit kommt auch Rodrigo Pessoa anno 2023 mal wieder zum „Tschio“. Auch gut! Ingrid Klimke möchte auf gar keinen Fall klein beigeben: Das wäre ja gelacht – nur weil man mal eben das Schlüsselbein gebrochen hat. Hoffentlich geht’s bei ihr gut aus. 1976 war ich zum ersten Male als Sportreporter in der Soers – diesjahr fahr‘ ich  wieder. Das ist für mich Ehrensache!

Nein, Christian Ahlmann steht nicht im deutschen Aufgebot, obwohl er am Samstag unter dem Eiffelturm den Großen Preis im Rahmen der Global Tour gewonnen hat. Damit zählt er wieder zu den Champions. Gestern ließ er, hoch motiviert vom Vortag, mal eben den Sieg in der „Eiffel Challenge“ folgen, den neunjährigen Zangersheide-Hengst Otterongo Alpha unter dem Sattel. Zu den 100 000 Euro Siegprämie vom Samstag kamen nochmal 38 125 Euro obendrauf. Schöne Bilanz. Platz zwei für Penelope Leprevost, die Candy ritt und am Samstag bereits von Christian überflügelt wurde. 30 500 Euro dürften sie ein wenig getröstet haben, zumindest ihre Pferdebesitzer. Ludger belegte auf Checker Platz 14. Ordentliche Generalprobe für die Soers.

Michael Jung verbrachte das Wochenende vor Aachen wieder mal im polnischen Strzegom, wo quasi ununterbrochen Vielseitigkeit geritten wird. Die Vier-Sterne-Lang gewann der Reitmeister und deutsche Meister der Berufsreiter auf seinem Iren Kilcandra Ocean Power mit 44,7 Minuspunkten, Siegprämie tausend Euro. Nur 15 Pferde auf der Startliste, nur fünf im Ziel. Ähnlich lief’s in der Drei-Sterne-Lang: 14 Pferde, fünf im Ziel. Sieg und 320 Euro für Felix Vogg auf Dao de ‚Ocean. Man fragt sich, wie der Veranstalter bei solchen Feldern finanziell über die Runden kommen kann.

Zugegeben, in der kurzen Drei-Sterne-Prüfung sah man 38 Pferde auf dem Startzettel, nur neun davon im Geld, nur 17 im Ziel. Pia Leuwer auf Cascada siegte mit 33,8 Punkten, bekam dafür 300 Euro. Die Plätze drei und vier für Michael Jung mit Ignatz und fischerWild Wave: 225 und 150 Euro Prämie. Die letzten vier Platzierten mussten mit jeweils 25 Euro zufrieden sein. In der Soers wird Michael Jung, wie angekündigt, FischerChipmunk reiten.

Wir erinnern uns: Vergangenes Jahr sahen die beiden einige Zeit wie die sicheren Sieger aus – aber nein, an einem schmalen Holzstoß hatte Cipmunk nach präziser Überprüfung die Begrenzungsflagge zwischen die Vorderbeine bekommen. Pech. Diesmal wird er’s bestimmt besser machen: Er lässt es diesjahr im Gelände grundsätzlich ruhiger angehen, nimmt Zeitfehler bewusst in Kauf. Eine vernünftige Taktik, auch angesichts der Temperaturen in diesem Sommer.

Soviel scheint mir sicher: Gestern, am Soerser Sonntag bei freiem Eintritt und buntem Programm,  kamen  30 000 Neugierige in die Soers. Ich wage diese Wette: Heuer werden es am Ende mehr als 350 000 Besucher sein. Also ein neuer Rekord. Der Andrang beim Derby in Hamburg und zu Pfingsten in Wiesbaden waren so stark wie lange nicht. Nochmal sei’s gesagt: Das große Stadion fasst 40 000 Zuschauer, das Dressurstadion 6300 Zuschauer. Neben der morgigen Eröffnung mit Prinzessin Anne und ihrer Houshold Cavalry gibt’s am Freitag- und am Samstagabend Showprogramm im Dressurstadion. Dazu den bunten Markt mit 230 Ausstellern. Und in Aachen dekorieren die Einzelhändler ihre Schaufenster mit allerlei Kitsch und Kunst rund ums Pferd. Das sieht man sonst nirgendwo.

Ich sag‘ mal so: Obwohl uns allen die allgemeine Weltlage große Sorgen macht, freu‘ ich mich auf die sportliche Woche der Wahrheit in der Soers. Dieses „Tschio“ ist wirklich kein normales Turnier – es ist quasi ein Zustand, ein positiver, versteht sich. Wer nicht dort sein kann, dem empfehle ich zweierlei: www.chioaachen.de sowie die Programme des WDR, Drittes Programm.

Wir sehen uns in der Soers!