In der Praxis ist’s ja nun mal so: Wenn die fliegenden Galoppwechsel in die Binsen gehen, wenn’s beispielsweise 15 A-Tempo sein müssten, es aber nur 13 werden – tja, dann ist das Murks! Und deshalb beklagt sich Jessica von Bredow-Werndl keine Sekunde darüber, dass der gestrige Sieg im Auftakt-Grand-Prix dieser Deutschen Meisterschaft in Balve nicht an sie und ihre Dalera ging, sondern zurecht an Sönke Rothenberger auf dem Nachwuchskracher Fendi. Heute im Grand Prix Spezial, wo es um den Titel ging, sah die Sache wieder so aus: Gold für Jessica, Silber für Sönke und Bronze für Frederic Wandres.
Das CHIO von Aachen ist nicht mehr weit. Also brenne ich darauf, von Monica Theodorescu und dem Dressurausschuss die Nominierung für die Große Tour in der Soers zu erfahren. Vermutlich wird sie mir aber die Freude und die Ehre nicht machen, mich exklusiv und vor allen anderen darüber zu informieren. So bleibt mir aktuell nur übrig, meine Sachkunde einzusetzen, verbunden mit dem Mut, ein wenig zu spekulieren – auf die Gefahr hin, dass ich falsch liege.
Die deutsche Meisterin 2023 in der klassischen Tour, sprich dem Grand Prix Spezial, heißt Jessica von Bredow-Werndl auf der 16-jährigen Trakehnerstute Dalera aus dem Besitz der ehemaligen Schweizer FEI-Richterin Beatrice Büchler-Keller. 83,255 Prozentpunkte, 5000 Euro Siegprämie, dazu Goldmedaille und Schärpe. Chapeau! Es war in Balve, das hab‘ ich nicht vergessen, der erste Start der beiden auf einem deutschen Turnier seit langer, seit viel zu langer Zeit. „Wechselgewurschtel“ hatte ihr gestern den Sieg im Grand Prix zum Auftakt vermasselt; der zählt aber nicht zur Meisterschaft, also bleibt’s in den Annalen nur eine Fußnote.
Sönke Rothenberger indessen lässt aufhorchen: Er hat nach dem fürchterlichen Feuer auf der familieneigenen Reitanlage über Jahre die Kraft und die reiterliche Klasse gefunden, um nach seinem Toppferd Cosmo mit dem erst neunjährigen Fundi ein neues Zukunftspferd auszubilden. Das verdient Anerkennung und höchsten Respekt. Silber für die beiden heute mit 79,882 Prozent und 4000 Euro Prämie. Kompliment! Rang drei wie erwartet für den ungemein fleißigen Frederic Wandres und seinen bewährten Duke of Britain mit 78,628 Prozent und 3000 Euro Prämie.
Isabell Werth und ihr Quantaz belegen Rang vier, bringen 77,902 Prozent nach Hause, 2000 Euro Prämie. Zu einer DM-Medaille reicht das nicht, weil es Wechselfehler gab. Ingrid Klimke mit Franziskus wird sechste, bekommt 76,216 Prozent und 1100 Euro. Den zweiten DM-Titel gibt es morgen in der Kür. Und war Aachen angeht, so wage ich folgende Prognose: Jessica und Dalera sind gesetzt, Sönke und Fendi haben eine Startchance verdient, an Frederic Wandres führt kein Weg vorbei, auch nicht an Ingrid Klimke und ihrem Franziskus, schon gar nicht an Isabell Werth. Leider hat Matthias Rath mit seinen beiden Pferden Thiago und Destacado, dem German Master von Stuttgart, in Balve bisher nicht überzeugt.
Bis später, wenn’s um die Amazonen im Springsattel geht!