Im Club de Polo von Barcelona geht ein denkwürdiger Nachmittag zu Ende. Das von Bundestrainer Otto Becker geführte Quartett aus Jana Wargers, Christian Kukuk, Hansi Dreher und Richard Vogel gewinnt fehlerfrei das Nationscupfinale 2023 vor den Franzosen und den Belgiern. Es ist der zweite Erfolg eines deutschen Teams nach 2016. Die Brasilianer mit Luciana Diniz und Rodrigo Pessoa schaffen als Vierte zugleich die Qualifikation für die Olympischen Spiele von Paris 2024. Die Amerikaner auf Platz fünf haben knapp das Nachsehen – sie müssen jetzt auf die letzte Ticketchance bei den Panamerikanischen Spielen in Chile hoffen.

Die ersten stimmen aus Barcelona gibt’s zur Stunde (17.30 Uhr) noch nicht, aber meine und Ihre Phantasie, liebe Leserinnen, liebe Leser, reicht aus, um uns vorzustellen, was Otto Becker in diesem Moment vor der internationalen Presse sagen könnte: „Meine Reiter haben heute einen tollen Job gemacht. Ich bin wirklich stolz, dass wir uns hier so stark präsentiert haben. Der Parcours, den Santiago Valera gebaut hat, war erwartungsgemäß schwer. Aber unsere Pferde haben sich heute in Topform präsentiert. Auf diesem Niveau wollen wir weiter arbeiten, um nächstes Jahr in Paris eine gute Rolle zu spielen. Wenn’s dort ebenso ausgehen würde wie heute – ich hätte nichts dagegen!“ Siegprämie 417 000 Euro!

Zu den Fakten: Als Jana Wargers mit ihrer Oldenburger Stute Dorette als Erste des deutschen Teams mit acht Strafpunkten aus dem Parcours kam, waren die Gesichter und die Gemüter ziemlich angespannt. Ob das heute wohl etwas werden würde mit einem Platz auf dem Treppchen? Aber einmal mehr erwies sich Otto Beckers Maxime für den Preis der Nationen als goldrichtig: „Nullrunden Leute! Wir brauchen jede Menge Nullrunden!“ Danach taten ihm seine drei Mannen genau diesen Gefallen: Christian Kukuk auf Checker aus dem Besitz von Madeleine Winter-Schulze, Hansi Dreher mit Elysium aus Schweizer Besitz und Richard Vogel mit United Touch, seinem Stuttgart-Sieger aus dem Besitz von Peter Sinnack, kamen makellos ins Ziel. Unterm Strich das Idealergebnis, dazu 246,49 Sekunden.

Dieser tollen Teamleistung hatten die Konkurrenten heute nichts entgegenzusetzen: Die Franzosen, geführt vom erfahrenen Niederländer Henk Nooren, brachten nur einen „Nuller“ durch Olivier Perreau zustande, hatten am Ende 8/249,74 Sekunden und bekamen 251 000 Euro für ihren Platz zwei. Die von Peter Weinberg geführten Belgier, die Sieger vom vergangenen Jahr, hatten zwar zwei Nullrunden durch Wilm Vermeer und Gregory Wathelet, mussten aber unterm Strich doch 8/251,25 Sekunden hinnehmen; Preisgeld 113 000 Euro.

Der besondere Kampf im Kampf, nämlich um das eine, in Barcelona noch zu vergebende Ticket für Paris 2024, tobte zwischen den Brasilianern und der US-Equipe. Am Ende hieß es für Luciana Diniz, Rodrigo Pessoa, Pedro Veniss und Stephan de Freitas Barcha 8/253,82. Dafür gab’s 113 000 Euro. Das US-Team musste sich mit Rang fünf zufriedengeben: 9/253, 47 Sekunden ihr Resultat. Präzise gesagt: Hätte die alt-erfahrene Laura Kraut mit ihrem Dorado als Schlussreiterin eine Nullrunde geschafft statt eines   Zeitfehlers – das Paris-Ticket wäre ihnen sicher gewesen. An diesem Fall sieht man einmal mehr wie teuer ein einziger Zeitfehler am Ende werden kann. Trostprämie: 91 000 Euro.

Apropos Luciana und Rodrigo. Wer ein paar Jahre zurückdenkt, der erinnert sich: Wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und George Morris, der das brasilianische Team zu den Spielen von 2016 in Rio führte, musste Rodrigo bei diesen Spielen in seiner Heimat zuschauen, durfte beim Fernsehen als Kommentator seine Meinung sagen.

Vor einigen Wochen sagte der 50-jährige gegenüber unserem französischen Kollegen Pascal Renauldon: „Ich möchte zu Olympia, eben weil es Versailles ist! In Barcelona haben wir die Chance auf ein Ticket. Wenn’s nicht klappt, bietet sich unsere letzte Chance bei den Pan-American Games später in Chile.“ Luciana Diniz, die wir so viele Jahre kennen und schätzen, steuerte mit ihrem Franzosen Vertigo du Desert eine Nullrunde bei. Auch für sie, 52 Jahre jung und topfit, wäre Paris noch einmal ein ganz großer Auftritt.

Unsere Freunde aus der Schweiz hatten sich für heute sehr viel vorgenommen – wie jedes Mal, wenn’s um Nationenpreise geht: Aber 12/251,88 Sekunden langten heuer nur zu Rang sechs: Lediglich Martin Fuchs und seinem Commissar Pezi glückte eine fehlerfreie Runde als erstem Reiter, danach zwei Achter und ein Vierer durch Elian Baumann, Janika Sprunger und Steve Guerdat, den neuen Europameister. Trostprämie 75 000 Euro.

Auf den Plätzen sieben und acht kamen Briten und Iren über die Ziellinie. Die Briten, am Donnerstag noch vorne in der Qualifikation, für die es übrigens kein Preisgeld gab, schafften nur eine Nullrunde, alles in allem 12/254,79 Sekunden. Prämie 70 000 Euro. Schlusslicht Irland musste 13/258,54 Sekunden hinnehmen. Trostpreis 66 000 Euro.

Kurzer Blick aufs „Kleine Finale“ vom späten Samstagabend: Jos Lansink führte seine Niederländer, denen es peinlich war, nichts ins große Finale gekommen zu sein, zum Erfolg; Preisgeld 68 125 Euro. dahinter die Australier, die nur drei Reiter am Start hatten, Preisgeld 63 215 Euro. Platz drei für die Mexikaner, 53 215 Euro Prämie. Dahinter die Argentinier, Prämie 43 215 Euro. Spanier, Italiener und die Usbeken machten das Feld komplett. Wer am Ende bei den Pan-American Games in Chile das wirklich allerletzte Paris-Ticket lösen kann, werden wir sehen.

Olympia ohne die Amerikaner, die in Tokio Silber gewannen? Schwer vorstellbar. In den nächsten Tagen werde ich Luciana Diniz und Rodrigo Pessoa einen speziellen Blog widmen.