Die Sportredakteure der „BILD“-Zeitung wollten uns zu Weihnachten mit einem hippologischen Kaviarbrötchen beglücken. Überschrift: „Deutscher Reiter kassiert 2,35 Millionen Euro Preisgeld“. Gemeint ist damit Daniel Deusser. Das Boulevardblatt mit den vier großen Buchstaben wusste es sogar noch genauer: Einzig Alexander Zverev, der Tenniscrack, habe trotz seiner Verletzungspause mehr verdient als Daniel Deusser: 2,55 Millionen Euro.
Wer sich ein bissle auskennt oder auch nur ein wenig nachdenkt, der weiß, dass das mit den 2,35 Millionen Euro für unseren Freund Daniel Deusser gar nicht stimmen kann. Warum? Ganz einfach, liebe Kollegen von der „BILD“: Im Sport mit den Pferden gilt seit ewigen Zeiten folgende Regel: Das Sieggeld und/oder die Platzprämien gehören zunächst einmal den Besitzern der Pferde. Und das völlig zurecht: Die Besitzer investieren in die jungen Pferde – ohne jegliche Garantie dafür, dass aus den talentierten Remonten irgendwann einmal ein Star wird, der seinen Hafer selbst verdienen kann.
Überdies zahlen die Besitzer normalerweise den monatlichen Unterhalt ihrer Pferde: also Futter, Schmied und Tierarzt, dazu die Ausbildung und die Haltung der Pferde, natürlich das Reisen und die Turniere, nicht zuletzt das Personal, kurz gesagt: die Grooms. Diese Liste ließe sich noch verlängern, doch lassen wir’s dabei, damit die Kollegen von der „BILD“ nicht vollends überfordert werden.
Von dieser Stelle an wird’s spannend: Es liegt, wie wir wissen, ganz im Benehmen der Besitzer und der Reiter – bleiben wir mal beim Springen – ob und wie viel in Prozenten vom Preisgeld in die Tasche der Reiter bwz. Ausbilder fließen. Belastbare Fakten haben wir leider nicht, denn selbstverständlich sind die in Frage kommenden Verträge streng vertraulich. Ich sag‘ mal so: Aus vielerlei Gesprächen mit Besitzern und Reitern weiß ich, dass die Prozente an den Preisgeldern schwanken zwischen zehn und dreißig Prozent.
Als wichtiger Aspekt kommt die Frage hinzu, welche Provision der Reiter erhält, falls sein Pferd verkauft wird. Lässt man sich das vertraglich garantieren oder geht’s einem so wie zuletzt David Will: Als der von ihm ausgebildete „C-Vier“ quasi über Nacht an den Mäzen des Iren Cian O’Connor verkauft wurde, hat David, so hört man aus der Szene, keinen Cent abbekommen! (Ich hoffe sehr, dass das nicht stimmt, kann es aber letztendlich nicht klären.)
Hier und heute darf ich daran erinnern, dass jegliche Form von Preisgeldern steuerpflichtig sind! Das mag von Land zu Land unterschiedlich sein, an der Tatsache ändert sich deshalb aber nichts. Ich erinnere mich genau: Wer als ausländischer Reiter beispielsweise vor Jahren Geld gewann bei den German Masters in der Schleyerhalle, dem wurden sofort vom Veranstalter 28 Prozent an Steuern für den deutschen Fiskus abgezogen. Sollten deutsche Reiter im Ausland Geld gewinnen, wird es wohl so ähnlich sein. Der Fiskus reitet und siegt immer mit.
Und noch etwas kommt mir an dieser Stelle in den Sinn: In der sportlichen Praxis müssen wir die Dinge differenziert betrachten. Beispiel Daniel Deusser: Einerseits ist er Ausbilder und Reiter der Pferde, andererseits ist er Mitbesitzer einiger Pferde, die er reitet. Als er anfing für die belgischen Stephex-Stables zu arbeiten, war er wohl bei Stephan Conter angestellt. Längst schon, so scheint es mir, ist er dessen Geschäftspartner. Das heißt, Siegprämien und Platzgelder müssen von den Turnierställen als Betriebseinnahme verbucht und versteuert werden. Eine höchst komplexe Angelegenheit.
Mein Fazit: Die „BILD“ macht es sich mal wieder zu leicht, scheut Themen, bei denen die Wahrheit praktisch im Detail steckt. Für den Laien, so denkt man dort, genügt allemal die schnelle Schlagzeile. Weiter hinten im Text finden wir übrigens Jessica von Bredow-Werndl, deren Preisgeld anno 2022 etwas mehr als 200 000 Euro betragen soll. Auch diese Summe ist mit Vorsicht zu genießen. Bei nächster Gelegenheit werde ich Daniel Deusser mal fragen, was er mit den von „BILD“ entdeckten Millionen so alles macht. Vorher aber wünsche ich ihm – und natürlich auch den Kollegen von der „BILD“ – ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr!
P.S. Da fällt mir noch etwas ein: Christian Lindner, unser Bundesfinanzminister, hat seiner frisch Angetrauten Franka Lehfeld zu Weihnachten ein besonders schönes Geschenk gemacht: ein Pferd! Sollte das mal beim Turnier Preisgeld gewinnen, wäre das für unseren Schatzkanzler ein doppelter Gewinn: Als Finanzminister und als Ehemann. Na ja, womöglich behält seine Frau die Kohle lieber für sich. „BILD“ wird es uns ganz gewiss mitteilen.