Durch die Soers fegt ein böiger Wind, es fängt an zu regnen. Schwierige Vorzeichen also für den Geländetag der Buschreiter, der um 10 Uhr begonnen hat. 25 Hindernisse und Kombinationen über knapp 4000 Meter sind zu bewältigen. 44 Teilnehmer stehen auf der Startliste. Wir erwarten einen Zweikampf an der Spitze zwischen Michael Jung, der auf Platz zwei liegt, und der britischen Equipe mit Tom McEwen, der in Führung liegt, dahinter Yasmin Ingham, die Weltmeisterin, knapp dabei Tim Price für Neuseeland, William Coleman aus den USA auf Rang fünf. Selten sah man in der Soers einen derart spannenden Wettkampf: Weltmeisterin Yasmin Ingham gewinnt mit 27,1 zu 27,2 vor Michael Jung. Die Gastgeber gewinnen die Teamwertung mit 104,1 Punkten vor den USA mit 108,2 und den Briten mit 136,6 Punkten.
Zur Einstimmung an dieser Stelle wieder ein Stück Aachener Sportgeschichte: 2007 gab’s die erste Vielseitigkeit hier in der Soers, Von 2012 an auch mit Teamwertung. Die Premiere gewann damals Frank Ostholt auf Air Jordan. 2008 verteidigte der Warendorfer diesen Titel auf Mr. Medicott. 2009 siegte Andreas Dibowski, ehe Andrew Nicholson 2010 als erster Ausländer in der Soers brillierte.
Michael Jung und sein legendärer Sam trugen sich 2011 in die Siegerliste ein – ein Jahr nach dem Gewinn des WM-Titels und ein Jahr vor den zwei Goldmedaillen bei den Spielen in London. 2016 schaffte Jung mit Takinou seinen zweiten Aachen-Sieg. Ingrid Klimke gewann 2015, 2017, 2019. Vor einem Jahr sah Michael Jung mit FischerChipmunk zuächst wie der sichere Sieger aus, doch die kritische Nachkontrolle führte den Beweis, dass der Wallach im Eifer des Gefechts eine Begrenzungsflagge zwischen die Vorderbeine bekommen hatte. Der Sieg wurde aberkannt und Sandra Auffarth kassierte die 37 000 Euro Siegprämie.
Der Blick auf das Starterfeld sagt mir: Lange war das Feld nicht mehr so stark wie dieses Jahr. Von den Führenden der Weltrangliste fehlen allerdings Rosalind Canter, die vor einem Jahr ihren WM-Sieger auf tragische Weise hier verloren hat. Außerdem Jonelle Price, Oliver Townend, natürlich auch Julia Krajewski, die man gerne hier gesehen hätte mit ihrer Mandi. Ebenso Felix Vogg, der im Vorfeld der WM einen anderen Plan verfolgt.
Kurz nachdem das letzte Pferd über die Ziellinie galoppiert ist, der erste Eindruck: Tim Price, ein Mitfavorit, kann auf den letzten Metern einen Vorbeiläufer nicht vermeiden, ebenso der Führende Tom McEwen – beide fallen weit zurück. Pech mal wieder für Michael Jung und FischerChipmunk. Sein hochverdienter zweiter Platz kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihn das Angaloppieren in der Dressur leider den Titel gekostet hat. Trotzdem Hut ab für seine neuerliche Leistung in der Soers!
Gleiches gilt für Christoph Wahler, der sich durch eine tolle Runde mit 35,2 Punkten auf Platz vier nach vorne gearbeitet hat. Elisabeth Halliday wird mit 36,5 Fünfte. Wichtig zu wissen: Durch den leichten, aber ständigen Regen schafft kein Pferd die Mindestzeit. Und: Aus den schlechten Bildern des Vorjahres am Einritt in die große Arena haben die Veranstalter ihre Lehren gezogen: Das Finish in einem großen Bogen machte keinem Pferd ein Problem. Gut so!
Zum Schluss ein paar Stimmen und Eindrücke aus der soeben beendeten Pressekonferenz. Vater Joachim Jung sagt: „Am Ende sind wir, alles in allem, zufrieden!“ Der Schnitzer in der Dressur habe Punkte gekostet, der Boden unter dem Regen habe schnelleres Reiten verhindert. Michael selbst sagte: „Der Boden hat mein Pferd einiges an Energie gekostet – es hat schon früh ein Hufeisen verloren! So gab es einige kleinere Fehler, die auch Zeit gekostet haben. Trotzdem war es eine sehr gute Runde von Chipmunk. Am Ende des Kurses fühlte ich mich gut.“ In seinem Gesicht sah man freilich doch die Enttäuschung darüber, der jungen Weltmeisterin Yasmin Ingham um ein hauchdünnes Zehntel unterlegen zu sein. Ingham bekommt 37 000 Euro Siegprämie, Michael 25 000 Euro.
Die Veranstaler melden 35 000 Besucher beim Geländeritt. Bundestrainer Peter Thomsen, seit einem Jahr im Amt, kann in der Soers seinen zweiten starken Teamerfolg feiern nach dem WM-Gold in Pratoni vor einem Jahr. Sein Kommentar: „Ich fühle mich heute hier sehr glücklich!“ Malin Hansen-Hotopp sagte: „Es war mein zweiter Start hier in Aachen – für mich ein großer Tag!“ Und Sandra Auffarth: „Viamant hatte eine längere Pause nach Kentucky – ich reite jetzt zur Vorbereitung auf die EM. Am Beginn des Kurses ging mein Pferd mächtig vorwärts, das habe ich aufgrund des Bodens dann zurückgenommen.“
Tamra Smith aus den USA sagte: „Es ist für mich sehr speziell hier in Aachen zu sein zum ersten Male.“ Ähnlich klang Yasmin Ingham, die neue Weltmeisterin: „Ich bin zum ersten Male hier und freue mich natürlich über den Erfolg.“ Und Christoph Wahler: „Mein Pferd glänzt im Springen und im Gelände – nur mit der Dressur haben wir Probleme.“ Wie berichtet, war sein Carjatan angaloppiert und erst nach etwa sechs bis sieben Galoppsprüngen wieder in den Trab zurückgekommen – ein teurer Fehler. Schließlich dies: Von den 44 gestarteten Pferden kamen 39 ins Ziel. Ein sehr guter Wert. Es war übrigens der zehnte Sieg einer gastbebenden Equipe im Nationenpreis! Hut ab!
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