Ich hatte eigentlich nicht die Absicht, mich noch groß über den sogenannten Modernen Fünfkampf zu verbreiten, geschweige denn, mich über seine Aktiven und/oder Funktionäre zu ärgern. Nun drängt es mich aber doch, erneut kritisch Stellung zu beziehen: Michael Dörr, der Präsident des Deutschen Verbandes, fordert allen Ernstes die Streichung der Vielseitigkeit aus dem olympischen Programm. Für mich ist das eine Unverschämtheit!
Die in Hamburg erscheinende Tageszeitung „Welt“ hat den Informationsbesuch des deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach bei der Vielseitigkeits-WM am Wochenende in Pratoni del Vivaro zum Anlass genommen, sich unter der Überschrift „Im Reitsport geht die Angst um“ der Frage nachzugehen, wie es um die olympische Zukunft der klassischen Reiterei steht. Ich zitiere die ersten drei Sätze: „Der Sport mit Pferden steht unter Beobachtung – vorrangig nach dem Fünfkampf-Fiasko bei den olympischen Spielen in Tokio. Besonders bedroht ist die riskante Vielseitigkeit. Verschwindet der Pferdesport komplett aus dem olympischen Programm?“
Da wird vermischt, was gar nicht zusammengehört. Ich hab‘ schon oft darauf hingewiesen, dass der Verband der Modernen Fünfkämpfer eigenständig ist, mit der FN und dem DOKR rein gar nichts zu tun haben will. Jeder weiß inzwischen, dass das Springreiten der Fünfkämpfer bei Olympia 2024 in Paris zum letzten Male stattfinden darf, danach muss eine andere fünfte Disziplin eingeführt werden, die bereits erprobt wird. Das finde ich richtig, ehrlicher noch: Mir wäre die sofortige Streichung des Reitens am liebsten gewesen!
Der seit gut einem Jahr amtierende FN-Präsident Hans-Joachim Ebel sagte gegenüber „Welt“: „Natürlich hatten wir Angst, dass es auch auf uns zurückschlägt. Letzten Endes sind wir davon betroffen, denn für die Zuschauer ist es egal, ob Moderner Fünfkampf zur Deutschen Reiterlichen Vereinigung gehört oder nicht, für die ist es Reiterei.“ Diese sportpolitische Position des FN-Präsidenten nehme ich staunend zur Kenntnis: Ist es nicht gerade die Aufgabe dieses Präsidenten eine klare und selbstbewusste Haltung einzunehmen und offensiv zu vertreten? Ich meine ja! Dass die Fünfkämpfer die nach dem Desaster von Tokio angebotene fachliche Hilfe von FN und DOKR gar nicht annehmen wollten – weshalb sagt das Hans-Joachim Ebel nicht klipp und klar?
Es kommt aber noch besser: In besagtem „Welt“-Artikel kommt Michael Dörr zu Wort, der Präsident der deutschen Fünfkämpfer. Zitat: „Ich glaube, dass der gesamte Reitsport vielleicht irgendwann nicht mehr olympisch sein wird.“ Er sagt vorher: „Das Erste, was rausfliegt, ist der Geländeritt der Vielseitigkeit. Mit Recht!“
Da fällt mir nun wirklich nichts mehr ein: Ausgerechnet dieser Michael Dörr fordert unverblümt den Rauswurf der Vielseitigkeit aus dem olympischen Programm. Es ist genau der Mann, der es gegenüber seinen Aktiven vor Tokio strikt abgelehnt hat, einen Reittrainer mitzuschicken – zu teuer. Es ist genau der Mann, der wusste, dass die Anforderungen im olympischen Parcours bei Hindernissen bis zu 1.30 Meter liegen würden; einer seiner Aktiven hatte nach dem Debakel offen zugegeben, dass man daheim über diese Höhen gar nicht trainiert hatte, weil es an den dazu notwendigen guten Pferden fehlte. Nochmal präzise: Präsident Dörr hat seine Leute ohne Reittrainer nach Tokio geschickt, wohl wissend, dass sie dort eine Aufgabe gestellt bekommen, auf die sie gar nicht vorbereitet sind. Der Rest ist bekannt.
Ich bin der Ansicht, dass sich FN und DOKR zur der unverschämten Forderung von Präsident Dörr äußern müssen! Seine billige Retourkutsche gegen die Warendorfer Verbandszentrale und die deutschen Topreiter darf nicht unwidersprochen bleiben. Immerhin hat IOC-Präsident Thomas Bach vor Ort die jahrelangen Bemühungen in der Vielseitigkeit um mehr Sicherheit positiv bewertet. Außerdem gab’s, ganz aktuell, bei der WM in Pratoni am Ende eine gute Bilanz: Kein Pferd stürzte, keines wurde verletzt, acht Reiter mussten aus dem Sattel, bei zweien konnte nach Untersuchungen im Krankenhaus Entwarnung gegeben werden. Das deutsche Team hat den Titel geholt – ob Michael Dörr es über sich bringt, den Aktiven zu gratulieren?